Ashs Angst

Wie es aussah, gehörte die Angst zu Ash. Die Sonnenkriegerin saß völlig verstört auf ihrem Bett, die Knie hatte sie bis an die Brust gezogen. Dabei starrte sie ins Nichts. Auf der Bettdecke lag ein positiver Schwangerschaftstest, daneben befanden sich einige alte Fotos von einem traurigen kleinen Mädchen mit schwarzen Haaren. Es schien sich um Aufnahmen aus Ashs Kindheit zu handeln, die sich wie von Zauberhand bewegten. Ash stand darauf an einem Fenster und starrte mit leerem Blick auf die Straße hinaus, auf der gerade ein Auto wegfuhr. Alles an der Kleinen wirkte entsetzlich unglücklich. Ihre geduckte Haltung, der hoffnungslose Ausdruck in ihren Augen und die zitternden Mundwinkel.

„Ash.“ Ich stürzte zu der Sonnenkriegerin und ging neben ihr in die Knie. „Ash, ich brauche deine Hilfe.“

Sie reagierte nicht auf mich.

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich keinen goldenen Schimmer rund um meinen Körper hatte, was bedeutete, dass sie mich nicht sehen konnte. Hektisch schloss ich die Augen. Ich musste es schaffen, mich mit dem Leben in mir zu verbinden, sonst war mein Plan zum Scheitern verurteilt, bevor er überhaupt angefangen hatte.

Im nächsten Moment spürte ich eine sanfte Wärme in meinem Brustkorb, die sich auf meinen ganzen Körper ausbreitete und ihn mit einem goldenen Schimmer umhüllte.

Ash richtete blinzelnd ihren Blick auf mich. „Widney. Was machst du hier?“

„Sag mir, was hinter deiner Angst steckt, keine gute Mutter zu sein“, verlangte ich hastig. „Was ist dir als Kind passiert?“

In diesem Moment wechselte die Szene. Das Bett, die Fotos und der Schwangerschaftstest zerfielen vor meinen Augen, bis ich mich in einem schmutzigen Wohnzimmer befand. Es hatte ein fleckiges Sofa und abgewohnte Möbel, dazu noch einen zerschlissenen dünnen Teppich, auf dem eine offenbar betrunkene Frau lag. Ihre blondgefärbten Haare hingen ihr ins Gesicht und bewegten sich leicht bei jedem Atemzug. Neben ihrem aufgedunsenen Körper lagen einige leere Wodka-Flaschen.

Ein kleines Mädchen kniete neben ihrem Körper und rüttelte sie an der Schulter. „Mom. Mom, ich hab so Hunger.“

„Lass mich in Ruhe, Ash“, lallte die Frau und stieß die Kleine weg. „Mach dir selbst was zu essen.“

„Aber es ist nichts da“, schluchzte das kleine Mädchen. „Ich hab nachgesehen, wirklich, Mom, ich hab überall nachgesehen.“

Die Szene war so schrecklich, dass mir eiskalt wurde. Dann erinnerte ich mich, weshalb ich hier war und ging neben der Kleinen in die Hocke.

„Ash“, flüsterte ich.

Sie ließ ihre Mutter los und schaute mich mit verweinten Augen an.

„Ash, du bist ein großartiger Mensch“, sagte ich leise und strich ihr über die Wange. „Deine Mutter war krank. Sie konnte sich nicht um dich kümmern. Aber das bist du nicht.“

Tränen quollen aus den Augen der Kleinen und ich folgte meinem Impuls und nahm sie in den Arm. „Du bist nicht sie“, wiederholte ich eindringlich. „Und du wirst eine wunderbare Mutter werden. Dein Kind kann sich glücklich schätzen, dich zu haben. Du wirst es wie eine Löwin beschützen und immer für ihn oder sie da sein. Das weiß ich.“

Als mich die kleine Ash nun ansah und ein Funken von Vertrauen in ihren Augen aufglomm, veränderte sich der Raum um uns herum. Die betrunkene Mutter verschwand und verlor ihren Schrecken. Ein regenbogenfarbenes Licht erfüllte die Szene, das von goldenen Sprenkeln durchbrochen wurde.

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