Eric – 109

Eric – 109

„Zwei Scotch“, rief Chris der Bedienung zu. Das Lokal war nur halbvoll, ein paar Penner lehnten an der Bar, und jeder war so mit sich selbst beschäftigt, dass uns keiner bemerkte.

Die dickliche Dame hinter dem Tresen nickte und Chris wandte sich mir zu, während ich mich noch immer fühlte, als würde man mir den Boden unter meinen beschissenen Füßen wegziehen.

„Also, was ist los?“, fragte Chris. Dabei starrte er mich wieder an, und ich wusste, dass ich ihm eine Antwort schuldig war, nachdem ich ihm eine verpasst hatte – und er wusste es auch.

„Er hat mich angerufen.“

„Wie? Und was hat er gesagt?“

„Nichts.“

„Wie? Er hat dich angerufen und nichts gesagt?“

Die dicke Dame kam mit den Gläsern und stellte sie auf den abgefuckten Tisch ab. Ich nahm meines, leerte es in einem Zug und verlangte ein neues.

„Woher weiß du dann, das er es war?“

Mein Blick irrte durch das dunkle Lokal und ich wünschte mir, dass ich für einen Moment mit einer von den anderen jämmerlichen Existenzen tauschen könnte, dass ich einfach jemand anderer sein konnte, der mit anderen Scheißproblemen kämpfte als mit meinen.

Ich wollte Chris nicht sagen, dass es ein verfluchtes Geräusch war, dass ein verfluchter Atemzug von ihm ausreichte, um ihn zu erkennen. Dass ich schon als kleiner Junge gelernt hatte, jede Regung von dem Scheißkerl, jeden Atemzug einzuordnen, da ich ständig alarmiert und voller beschissener Angst durch das Haus lief. Immer auf der Hut vor dem nächsten Angriff, der für einen normalen Menschen ohne Vorankündigung kam, aber bei mir hatte sich jedes Geräusch in meine Seele gebrannt.

Das Zischen der Bierdose, das abfällige Grunzen, das Abziehen des Gürtels, all das war so tief in mir vergraben. Und ein scheiß Atemzug, ein scheiß Grunzen reichte aus, dass die Geräusche wieder zu mir zurückkamen, dass sie mir die Luft nahmen und ich glaubte, an ihnen zu ersticken.

Chris wartete noch immer auf eine Antwort.

„Ich weiß es einfach“, sagte ich.

Er nippte an seinem Glas. „Und was willst du jetzt machen? Wirst du mit ihm reden?“

Automatisch ballte sich meine Hand zu einer Faust. „Mit ihm reden?“, zischte ich. „So, wie er mit mir geredet hat?“

„Das meinte ich nicht. Aber vielleicht könnte es dir helfen, damit du diesen Teil nicht ständig von dir wegschiebst …“

„Ich schiebe diesen beschissenen Teil aus einem sehr guten Grund weg“, fauchte ich und kippte das zweite Glas, das die Bedienung brachte, noch schneller hinunter als das erste.

„Er war ein Arschloch, aber vielleicht hat er sich geändert“, versuchte es Chris, und auch wenn ich wusste, dass er es gut meinte, wünschte ich, er würde seine beschissene Klappe halten.

„Wenn das Arschloch bei mir auftaucht, bringe ich ihn um.“ Die Worte drangen aus den Tiefen meiner Seele, ich wollte dem Scheißkerl das antun, was auch er mir angetan hatte, ich wollte ihn die schwarze Angst spüren lassen, die mich die ganze Zeit begleitet hatte.

„Du wirst jetzt selbst Vater, Eric.“

Plötzlich tauchte in der ganzen Dunkelheit Esthers Gesicht auf, sie brachte Licht mit, aber ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie lange dieses Licht noch leuchten würde.

„Ich weiß, und ich werde nicht so ein beschissener Vater sein“, sagte ich und wünschte, ich könnte mir selbst glauben. Ich wünschte, ich wäre mir sicher, dass ich es besser machen würde, obwohl ich mich jetzt hier mit Chris zudröhnte, statt bei Esther zu sein.

„Natürlich nicht, du bist nicht wie dein Vater. Aber bist du dir sicher, dass ein Baby in dein Leben passt?“

„Natürlich passt es nicht in mein Leben“, sagte ich. „Aber was soll ich tun? Esther und das Kind sitzenlassen, so wie meine Mutter es bei mir gemacht hat? Das werde ich garantiert nicht tun. Ich werde mich um sie kümmern.“

„Das ist gut, Mann. Das ist gut“, sagte Chris, hob die Hand und bestellte sich noch einen Drink. Und dann leerten wir ein Glas nach dem anderen, bis ich endlich nichts mehr fühlen konnte, bis die Erinnerungen mit dem Alkohol wegflossen und erst wieder am nächsten Tag erwachten.

8 thoughts on “Eric – 109

  1. Warum ist nicht sie sein Rettungsanker ? Sein Licht? Und was hat sie für eine Nachricht bekommen? Seht vielleicht etwas in der Zeitung gibt vielleicht jemand anderes vor auch von Eric schwanger zu sein ?
    Ich freue mich auf die nächste Mail LG

  2. Das ihr es immer du spannend machen müsst hättest ihr nicht wenigsten schonmal sagen können was er geschrieben hat bitte

  3. Der Junge hat ein echtes Trauma…?…..wird nicht einfach für die beiden…bin jedes Mal sooo gespannt…jetzt sollte Eric aber langsam in die Gänge kommen…Esther braucht jetzt mal Unterstützung und kein ewiges Gejammer…mann, Eriiiiccc…?

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