Eric – 115

Eric – 115

„Was machst du denn hier?“, fragte ich trocken, als ich mit der Keycard die Tür öffnete. Die Erleichterung war wie so ein verdammter Fliegenschwarm, der durch meinen Körper tobte, und ich hoffte, dass man mir nichts davon anmerkte.

Zoe sah mich mit großen Augen an, tatsächlich war sie noch dünner als das letzte Mal. „Was? Darf ich denn nicht meinen Bruder besuchen?“

Der beschissene Fliegenschwarm surrte in meine Eingeweide und meine Kehle schnürte sich zu. Ich stieß die Tür auf.

„Nicht mehr Halbbruder?“ Ich sagte es beiläufig, auf dem Weg zur Hausbar, aber es war alles andere als beiläufig, es brachte den ganzen Scheiß auf den Punkt. Ihre Mutter hatte mich verlassen, um Zoe ein besseres Leben zu geben, ein besseres Leben, als das, was mir mit dem Arsch gegönnt war.

„Sie hat es mir gesagt.“ Zoe ließ ihren Rucksack auf den Boden gleiten, setzte sich auf den Couchtisch und starrte mich an, als würde sie auf eine Reaktion warten.

„Und was willst du jetzt von mir?“ Meine Stimme klang kalt, aber ich wollte jetzt keinen auf Familienkuscheln machen. Ich öffnete die Whiskeyflasche, schenkte mir ein großes Glas ein und trank es in gierigen Schlucken aus.

„Ich weiß es nicht.“ Zoe zog die Beine an sich heran. „Ich wollte einfach nur weg von ihr, weg von den Lügen, die sie mir erzählt hat.“

Ich schnaubte. „Was für Lügen hat sie dir denn erzählt?“ Dabei hielt ich die Fresse, dass ich damals jede Lüge genommen hätte, wenn sie einfach nur geblieben wäre.

„Zuerst dachte ich ja, dass Piet mein Vater sei. Als ich über die Knochenmarkspende herausfand, dass er es nicht ist, hat sie gesagt, dass mein richtiger Vater tot wäre.“

Mit einer heftigen Bewegung stellte ich das Glas auf der Bar ab. „Das wäre schön.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Wie ist er so?“

„Das willst du nicht wissen.“

„Doch, das will ich, Eric“, erwiderte sie heftig und schob sich ein paar dunkle Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Es ist nicht fair, dass du ihn kennst und ich keinen Schimmer habe, wer mein verdammter Erzeuger ist!“

„Es ist nicht fair?“, schnaubte ich. „Du hast keine Ahnung, was fair ist, Zoe.“

Sie stand auf und ihre Augen funkelten wütend. „Ach nein? Ich weiß nicht, was fair ist? Erzählst du das dem kranken Kind?“

„So war das nicht gemeint.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nimmst du jetzt etwa Rücksicht auf mich? Weil ich sterben werde?“

„Erzähl nicht so einen Scheiß.“

„Ich kann reden, worüber ich will und ich habe es satt, dass mir keiner sagt, was los ist. Ma bekommt den Mund nicht auf, wenn es um dich geht und es ist ein Wunder, dass sie mir überhaupt von meinem richtigen Vater erzählt hat, nein, verzeih, es ist kein Wunder – sondern sie hat es mir nur erzählt, weil ich sonst sterbe.“

Zoe zitterte am ganzen Körper.

„Du hast das Ergebnis bekommen, nicht wahr?“, sagte ich und wünschte, dass sie gleich den Kopf schüttelte, und sich wieder wie ein trotziger Teenager verhielt und nicht wie jemand, der kurz vor dem Tod stand.

„Du passt nicht. Dein Knochenmark passt nicht zu mir. Ist es nicht witzig, Eric? Selbst unser Knochenmark harmoniert nicht.“

Meine Pumpe machte einen auf Marathon und ich verstand selbst nicht, was gerade in mir ablief. Zuerst hatte ich die Untersuchung gar nicht machen wollen, zuerst wollte ich nicht ihr Leben retten und jetzt, wo ich es nicht konnte, hasste ich mich selbst dafür.

„Deswegen stirbst du noch nicht gleich.“

„Vielleicht nicht gleich“, antwortete sie bitter. „Aber bald.“

„Es gibt noch andere Möglichkeiten.“

Sie nickte. „Deswegen hat mir Ma auch von ihm erzählt.“

Ich schluckte. „Du willst eine Spende von dem Arschloch?“ Bei der Vorstellung noch mehr von dem Dreckskerl zu bekommen, noch mehr Teil von ihm zu sein, zog es mir die Eingeweide zusammen.

„Was habe ich denn sonst für eine Chance?!“, antwortete sie erregt. „Aber vielleicht ist es sowieso besser, wenn ich sterbe.“

Ich schüttelte den Kopf und die Worte kamen wie von selbst aus mir heraus. „Nein ist es nicht“, hörte ich meine Stimme sagen. „Und verdammt, ich werde es auch nicht zulassen.“

3 thoughts on “Eric – 115

  1. Awwww er liebt seine Schwester ? aber ich bin der festen Überzeugung das ihr Vater nicht spenden wird zu mindest nicht auch Herzensgüte er will dafür bestimmt irgendetwas haben wie kann man nur so ein a******** sein ?? freue mich schon auf Dienstag ?❤️?

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