Eric – 117

Eric – 117

Scheiße, ich war nervös. Keine Ahnung, wann mir das zum letzten Mal passiert war, normalerweise reagierte ich nicht so auf andere Leute. Bei Esther war es natürlich anders gewesen, sie hatte mich von der ersten Sekunde an nervös gemacht – und jetzt auch noch ihre Eltern, schöne Kacke.

„Das ist eine wunderschöne Suite“, sagte ihre Mutter in dem Moment und ich nickte mechanisch, während ich ihren Vater fixierte, der sich mit zusammengezogenen Augenbrauen umsah.

„Das heißt, du wohnst tatsächlich hier im Hotel?“, fragte er stirnrunzelnd und ich schaute hilfesuchend zu Esther, die sich auf das Sofa gesetzt hatte. Sie war schon den ganzen Tag ziemlich blass gewesen und ich konnte ihr ansehen, dass sie gegen die Übelkeit ankämpfte, die mit jedem Tag zunahm.

„Ähm, ja, sozusagen“, murmelte ich und rieb mir über meinen stoppeligen Bart. Verdammt, vielleicht hätte ich mich rasieren sollen, bevor wir ihren Eltern verklickerten, dass sie bald Oma und Opa sein würden.

„Das geht uns nichts an, Schatz“, sagte ihre Mutter und legte ihrem Mann die Hand auf den Arm. „Eric lebt so, wie er es für richtig hält.“

„Schon gut“, murmelte Esthers Vater. „Ich will mich auch gar nicht einmischen, ich finde einfach, ein Hotel ist kein richtiges Zuhause.“

Da hatte er verflucht recht, aber die Wahrheit war, dass ich nach dem Fortgang meiner Mutter nie wieder ein richtiges Zuhause gehabt hatte. Mein Blick schweifte zu Esther. Nur bei ihr hatte ich mich zuhause gefühlt, aber ich hatte keinen Bock auf jegliche Art von Seelenstriptease, also hielt ich den Mund.

„Wollen wir?“, sagte ich stattdessen. „Das Restaurant hat um acht einen Tisch für uns reserviert.“

„Sehr gern“, sagte Esthers Mutter und lächelte bemüht, während ihr Vater nur stumm nickte. Ich räusperte mich und verfluchte die angespannte Stimmung. Selbst im Krankenhaus, nachdem Esther aus dem Koma aufgewacht war, war es zwischen uns irgendwie lockerer gewesen.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Liebes?“, fragte ihre Mutter, als ich zu Esther ging und sie sanft in die Höhe zog. Sie hielt meine Hand fester als sonst und ich sah, wie viel Mühe es sie kostete, scheinbar unbeschwert zu lächeln.

„Ich fühle mich heute nicht so besonders“, antwortete sie, „aber das wird sicher besser, sobald ich eine Kleinigkeit gegessen habe.“

Ihre Mutter musterte sie besorgt. „Bist du krank? Du warst doch letzte Woche beim Arzt, oder?“

„Das war nur zur Kontrolle“, murmelte Esther, während ich ihre Eltern sanft aus der Tür meiner Suite bugsierte und mit ihnen zum Lift ging. „Und nein, ich bin nicht krank. Mach dir keine Sorgen, Mum.“

„Als Mutter macht man sich ständig Sorgen“, erwiderte sie und ich spürte, wie meine Pumpe einen Satz machte, als sie weitersprach. „Das wirst du auch noch sehen, wenn du selbst jemals Kinder bekommst.“

„Damit können sie sich ruhig noch Zeit lassen“, sagte ihr Vater sofort, während wir auf den Aufzug warteten. „Schließlich sind die beiden noch nicht mal zusammengezogen.“

Esther errötete und drückte meine Finger etwas fester, woraufhin ich sie fragend ansah und sie beinahe unmerklich den Kopf schüttelte.

Okay, sie wollte also nicht einfach im Flur vor dem Aufzug damit rausplatzen, dass wir bald einen kleinen Schreihals in die Welt setzen würden. Ich spürte, wie ich zu schwitzen anfing und hoffte, dass ihr Vater es nicht mitkriegte. Der Typ sah mich schon die ganze Zeit so komisch an, vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein.

„Liebling, jetzt hör endlich auf, die Kinder in Verlegenheit zu bringen“, sagte Esther Mutter und gab ihrem Mann einen leichten Klaps. „Siehst du denn nicht, dass das zu früh ist? Schließlich kennen sie sich doch erst so kurz.“

„Genaugenommen wollten wir euch etwas sagen“, platzte Esther in diesem Moment heraus und ich hatte das Gefühl, als würde sich der scheiß Boden unter mir auftun. Verdammt, ich fühlte mich wie vor meinem ersten Konzert und plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob es so eine gute Idee war, ihre Eltern persönlich einzuweihen. Fuck, vielleicht hätten wir ihnen einfach eine Karte schreiben sollen.

„Ja?“, fragte ihr Vater und zog schon wieder seine Augenbrauen zusammen, die mir gerade noch buschiger vorkamen. „Und was wäre das?“

 

 

4 thoughts on “Eric – 117

  1. Sorry, aber Esther und Eric sind doch alt genug, um über solche Dinge wie Kinder kriegen selbst zu entscheiden. Die Eltern sollten und werden sich hoffentlich da raushalten! Sie werden sich freuen und Esther voll unterstützen? Ist ja eigentlich auch kein Problem ein Kind während des Studiums zu bekommen, das wird schon.

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