Eric – 76

Eric – 76

„Ma hat dir doch gesagt, worum es geht“, zischte sie und ich fühlte, wie diese winzigen zwei Buchstaben etwas mit mir machten, wie der Raum um mich herum plötzlich gegen mich drückte und mir die Kehle zuschnürte. Zoe war angepisst, weil ich ohne mit der Wimper zu zucken den scheiß Apfelkuchen kaufen konnte, ihr aber nicht mein Knochenmark auf dem Tablett servierte – sie war eine verzogene Göre, aber so wie sie Ma sagte, die Selbstverständlichkeit, mit der sie es sagte, war klar, dass sie ein Teil ihres Lebens war. Ein Teil, über den sie nie nachdenken musste, da er ihr so sicher war, wie die Luft zum Atmen.

„Ist mir egal. Ich will es von dir hören“, sagte ich kalt. Es war mir wirklich egal, dass hier ein angepisster Teenager vor mir saß, und es war mir egal, dass sie meine Halbschwester sein sollte, ich fühlte es nicht. Alles, was ich fühlte, war, wie die zwei Buchstaben mich dazu brachten, meine Entscheidung hierher zu fahren, verdammt noch mal zu bereuen. Und ich fühlte, dass ich jetzt einfach nur das Arschloch raushängen lassen wollte.

„Warum? Findest du es etwa geil, wenn ich dir von meiner Krankheit erzähle?“, schnaubte sie und beugte sich nach vorn. „Gibt dir das irgendeinen kranken Kick? Der große Eric Adams kommt in unser kleines Kaff, und dann muss man aber auch anständig betteln, wenn man was will?“

Ich beugte mich ebenfalls nach vorn, und ihre Worte prallten an mir ab. „Willst du jetzt was von mir oder soll ich gleich wieder abhauen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Für mich ist das kein Problem.“

„Dann hau doch ab.“

„Verdammt gerne“, sagte ich und stand abrupt auf. „Viel Spaß beim Sterben.“

„Eric“, mischte sie Esther nun ein und legte mir sanft die Hand auf den Arm. Sie sprach meinen Namen zart, aber mit einer unterschwelligen Bestimmtheit aus und mir war klar, dass sie es falsch fand, wenn ich jetzt einfach ging.

„Zoe, vielleicht erzählst du uns einfach mal etwas von dir“, versuchte sie die Wogen zu glätten und lächelte Zoe an, die ihr rotzfreches Gesicht beibehielt. „Wir sind den ganzen Weg hierher gefahren, um dich kennenzulernen. Also – du bist anscheinend kein Fan von Apfelkuchen“, fuhr Esther fort und spießte mit der Gabel ein Stück auf. „Obwohl dieser hier wirklich sehr gut schmeckt. Die Dame hatte recht – er riecht nicht nur gut, er ist auch wirklich lecker.“

„Ich mag Schokokuchen lieber“, murrte Zoe und Esther begann zu lächeln.

„Soll ich dir vielleicht doch ein Stück bestellen?“, fragte sie und ihre Augen leuchteten sanft. Mit ihren blonden Haaren und dem wunderschönen Gesicht sah sie aus wie ein Engel, ein Engel, der gerade versuchte, die Situation zu retten.

„Von mir aus“, stieß Zoe hervor und Esther winkte die dicke Kellnerin heran, um einen Schokokuchen zu bestellen.

„Wollen Sie nur ein Stück oder wieder den ganzen Kuchen?“, fragte sie und ihre Augen funkelten geschäftstüchtig.

„Nur ein Stück“, erklärte Esther und sah Zoe aufmunternd an. „Zumindest für den Anfang.“

Zoes Mundwinkel zuckten kurz und als die Kellnerin verschwunden war, ließ ich mich wieder auf meinen Platz sinken. Keine Ahnung, wie es Esther anstellte, aber irgendwie war der Raum jetzt wieder auf Normalgröße angewachsen und ich bekam wieder Luft.

„Willst du auch mal kosten?“, fragte Esther mich und schob mir den Teller hin. Ich hatte keine Lust, den scheiß Apfelkuchen zu probieren, aber Esther gab sich so viel Mühe, dass ich mir ein Stück in den Mund schob, wobei mir der Geschmack nicht egaler sein konnte.

„Also, Zoe“, nahm Esther den Faden wieder auf. „Hast du es weit zur Schule?“

Zoe schüttelte den Kopf. „Es geht so. Ich muss mit dem Bus fahren. Aber in letzter Zeit muss ich eben weniger Bus fahren.“

Die Bedienung brachte die Schokotorte und lächelte noch einmal ganz beglückt. Wie ich dieses Drecksloch und die Leute dazu hasste.

„Du musst uns gleich verraten, ob die Schokotorte auch so lecker wie der Apfelkuchen ist“, sagte Esther, als Zoe ihre Gabel hineinstach und mich intensiv ansah.

„Könnte dein Herz sein“, sagte Zoe stattdessen zynisch und ihre Augen funkelten mich herausfordernd an. „Aber shit, du hast ja gar keines.“

2 thoughts on “Eric – 76

  1. Oh Mann, die Kleine ist ja genauso kratzbürstig wie Eric. Eindeutig Verwandtschaft. 🙂
    Es ist dringender Redebedarf vorhanden.
    Hoffentlich bekommen sie das hin.

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