Eric – 87

Eric – 87

Der Schlaf wollte nicht kommen, die Gedanken zerrten an mir wie Bestien an einem Stück Beute. Vorsichtig stand ich auf, wollte Esther nicht wecken, die so friedlich da lag. Ich hätte sie ewig anstarren können, wie einer dieser verdammten Stalker, denn sie war einfach zu schön, um sie nicht anzusehen.

Sie war zu schön, um wahr zu sein.

Ich ging zur Bar, schnappte mir die Flasche Wodka und ging dann nach draußen. Die Nacht mit Esther war unglaublich gewesen, sie zu berühren war unglaublich, und ihre Nähe erwischte mich jedes Mal mit einer verdammten Wucht, mit der ich nicht gerechnet hätte. Ihre Haut war so zart, die kleinste Bewegung von ihr reichte, um mich verrückt zu machen.

Fuck, die Frau brachte mich noch um den Verstand, sie konnte alles von mir haben, mein Herz und meine beschissene Seele, die viel zu schwarz war, und Mann, ich durfte das nicht verbocken, nicht dieses Mal. Das, was ich hier hatte, womit ich im Leben nicht mehr gerechnet hätte, durfte ich einfach nicht verlieren, nicht jetzt, nicht morgen. Ein beschissener Drahtseilakt zwischen meinen Gefühlen.

Ich lehnte mich gegen die Terrassenbrüstung, atmete die kühle Nachtluft ein und kippte den Wodka in mich hinein. Der Alkohol brannte sich den Weg hinunter und die Gedanken rotierten in meinem Kopf wie auf einem verdammten Kinderkarussell.

Was war bloß mit mir los?

Eine beschissene Unruhe kroch über mich hinweg, ich dachte an Harry, der viel zu gut für diese Welt war, ich dachte an meine Mutter, die schon ihren Platz in der Hölle reserviert hatte, und ich dachte an Zoe.

Ich dachte immer wieder an Zoe, dabei wehrte sich alles in mir, an sie zu denken. Sie gehörte zu einem anderen Leben, nicht zu meinem, und die Masche, die meine Mutter hier abzog, war zum Kotzen. Nach unserer Begegnung hatte sie mir mehrmals geschrieben, hatte mich angefleht, ihrer Tochter zu helfen, ihrem Kind. Ich verfluchte Chris, dass er ihr jemals meine Nummer gegeben hatte, ich verfluchte das Leben, dass es mir diese Mutter gegeben hatte und ich verfluchte mich selbst, dass es mir noch immer nicht scheißegal war.

„Kannst du nicht schlafen?“, hörte ich Esther hinter mir verschlafen fragen. Ich sah kurz über die Schulter, sie hatte sich einen Bademantel des Hotels übergezogen, der ihr viel zu groß war und dessen Ärmel weit über ihre Arme hingen.

„Irgendwie nicht“, sagte ich. Sie kam barfuß auf mich zu, schlang die Arme von hinten um meine Brust und schmiegte ihren Kopf an meinen Rücken. Ich nahm noch einen Schluck von der Flasche und starrte auf die beschissene Welt, die mir zu Füßen lag.

„Lass uns wieder ins Bett gehen“, sagte Esther irgendwann und küsste meinen Rücken.

Langsam drehte ich mich zu ihr um. „Ist das ein Angebot?“

Sie lächelte. „Das musst du wohl selbst herausfinden.“

Und dann griff sie nach meiner Hand, und wir gingen nach drinnen, und als sie ihren Bademantel fallen ließ, hielten meine Gedanken endlich die Klappe.

 

„Guten Morgen“, sagte ich, als Esther mich müde anblinzelte.

„Guten Morgen“, entgegnete sie und gähnte scheu, fast wie ein kleines Reh. Im nächsten Moment runzelte sie die Stirn. „Hast du mich etwa beobachtet?“

„Ja.“

„Wie?“

Ich stütze meinen Kopf mit der Hand ab. „Ich habe dich die letzte halbe Stunde einfach nur angestarrt.“

„Du hast mir beim Schlafen zugesehen?“

„Ja“, bestätigte ich und sie lächelte. „Stalker“, sagte sie und zog sich die Bettdecke über das Gesicht.

„Und was für einer“, erklärte ich trocken. „Ich folge dir überall hin.“ Und dann wanderte ich mit meinen Fingern unter die Decke und hörte, wie sie leise lachte.

Meine Hände gingen auf Wanderschaft, ich erkundete jeden Teil ihres Körpers, dann schlüpfte ich mit ihr unter die Decke und übersäte ihre zarte Haut mit Küssen, bis wir wieder zueinander fanden.

 

„Hast du Hunger?“, fragte ich irgendwann. Und Esther, die auf dem Bett saß, nickte mit einer Vehemenz, die mich zum Lachen brachte.

„Burger?“

„Hat Harry dir welche eingepackt?“

„Ja, er lässt mich nie ohne welche gehen“, sagte ich und zog mir dunkle Boxershorts an.

„Burger zum Frühstück“, sagte Esther und strich sich ihre blonden Haare zurück. „Das klingt doch perfekt.“

Im nächsten Augenblick hämmerte es gegen die Tür.

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