Eric – 88

Eric – 88

Verdammt ich hatte es gespürt. Ich hatte gespürt, dass es kein gutes Ende nehmen würde, ich wusste es ab dem Moment, als ich ihren Blick sah, diesen Blick, der zeigte, dass sie es wusste. Dass sie wusste, wer ich wirklich war, dass ihr davor graute, dass die Zeit der tanzenden Wolken vorbei war.

Ich hatte eine beschissene Vergangenheit, und ich war nicht der, den sie verdient hatte. Ich war nicht der edle Prinz mit dem weißen Ross, ich war der Typ, der sich um die anderen nicht scherte, der Drogen wie Smarties einwarf, der keine Nacht überlebte, ohne sich die Birne vollzudröhnen. Der eine Tussi nach der anderen flachlegte, keine Rücksicht auf Gefühle, kein rosa Tamm-Tamm, nur das, was es war. Ich war ein Wrack, das schon längst untergegangen war und das verzweifelt hoffte, dass sie meine Rettung war.

„Esther“, sagte ich. „Ich bin sicher nicht der, den du dir früher gewünscht hättest.“

Sie zögerte und ihre Rehaugen sahen mich an, interessiert, einen Hauch ängstlich. Was war das nur für eine verdammte Scheiße hier.

„Ach ja?“, fragte sie und strich sich eine blonde Haarsträhne aus ihrem Gesicht.

„Meine Vergangenheit ist nicht besonders schön“, erklärte ich und knallte mich auf den breiten Fauteuil seitlich von ihr, „sie ist beschissen.“

Esther sah mich an und ich redete einfach weiter. „Ich habe viel Scheiße gebaut in meinem Leben, ich habe Mädels mit auf mein Zimmer genommen und es war mir egal, es war mir vollkommen egal, wer sie waren, denn ihre Lebensdauer war nie länger als eine Nacht.“

Ich schluckte und sah sie an, versuchte etwas aus ihren Augen rauszulesen, das mich nicht verzweifeln ließ.

„Und das sagst du mir jetzt, wo ich dir meine Jungfräulichkeit geschenkt habe?“, fragte sie kühl und mein Schädel brauchte einen Moment, um es zu kapieren.

Sie verarschte mich.

„Jetzt mach nicht so ein Gesicht“, fügte sie lächelnd hinzu, nachdem ich mich wieder erholte hatte. „Natürlich hattest du Frauen vor mir.“

„Aber es waren sehr viele Frauen.“

Sie streckte ihren Rücken durch. „Wer sagt, dass ich nicht auch viele Männer hatte?“

Ich musste beinahe lachen. „Ich dachte, du wärst noch Jungfrau gewesen.“

Sie neigte ihren wunderschönen Kopf etwas. „Vielleicht war das nicht ganz die Wahrheit.“

Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, es war schräg, wie schnell sie mich von einer Stimmung in die andere katapultieren konnte. „Du lügst mich also an.“

„Eric“, sagte sie, stand auf und kam zu mir, um sich auf die Lehne meines Stuhls zu setzen. Dabei schwang sie ihre Beine auf meine Oberschenkel. „Ich weiß, dass ich nicht deine Erste bin“, sagte sie. „Auch nicht deine fünfzigste.“

Ich kniff die Augen zusammen.

„Hundertste?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Tausendste?“ Sie hob die Hand. „Moment. Eigentlich will ich das ja gar nicht wissen. Außerdem kannst du dich wahrscheinlich gar nicht mehr daran erinnern, wie viele Frauen du … kennengelernt hast.“

Ich lachte, ihre Art war einfach entzückend. Wie konnte so ein perfekter Engel nur auf mir gelandet sein?

Ich kratzte mich am Hinterkopf. „Ich kann mich tatsächlich nicht erinnern“, sagte ich und zog sie an mich heran, sodass sie direkt auf meinem Schoss saß. „Und du?“

„Und ich?“, wiederholte sie ungläubig.

„Wie viele waren es bei dir?“

Sie sah mich irritiert an. „Interessiert dich das denn wirklich?“

Ich nickte. „Sonst würde ich nicht fragen.“

Sie tat, als würde sie zählen, ließ aber dann resigniert die Hände fallen. „Zu viele … und an alle kann ich mich auch nicht mehr erinnern.“

Automatisch versteifte ich mich, denn schon der Gedanke, dass sie von jemand anderem berührt worden war, machte mich rasend. Es war lächerlich, und trotzdem hasste ich die Vorstellung.

„Jetzt würde ich doch lieber an deine Jungfräulichkeit glauben“, stieß ich hervor und blickte auf mein Handy, das hell aufleuchtete, als ich eine Mail von Noah bekam. Sie zog meinen Kopf zu sich zurück und drückte mir einen sanften Kuss auf den Mund. „Du weißt schon, dass das im Vergleich absurd ist“, sagte sie. „Aber wenn es dich tröstet, es ist das erste Mal“, sie stockte kurz, „dass ich so etwas fühle.“

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