Eric – 90

Eric – 90

Esthers Worte waren noch immer in meinem Kopf, als ich auf den Sandsack einschlug. Einmal, zweimal, immer heftiger. Simon wollte ein Treffen mit mir, vielleicht, weil er irgendetwas ahnte oder sich rausreden wollte und ich hatte echt keinen Bock auf die Scheiße.

Ich donnerte noch einmal gegen den Sack, legte all meine Wut in den Schlag und stellte mir vor, es wäre sein verdammtes Gesicht, auf das ich eindrosch. Er hatte uns hintergangen, auch wenn Esther an das Gute glauben wollte, das Gute war einen Scheißdreck wert, wenn es um Kohle ging. Da zeigten die Leute ihr wahres Gesicht, da konnte man sehen, woran man war. Wenn sie etwas brauchten, wenn sie etwas wollten, da verschwanden die Höflichkeiten und die Masken, da kamen sie, so wie sie waren, zum Vorschein.

Es kotzte mich an, immer wieder an Zoe und meine Mutter zu denken, an meine Mutter, die sich jetzt wie eine Mutter verhielt, die mich mit Nachrichten bombardierte, die plötzlich für jemand anderen einstehen konnte, die flehte, als würde es kein beschissenes Morgen geben. Ich hieb auf den verfluchten Sandsack ein, immer und immer wieder, mein Gesichtsfeld verengte sich und ich sah nur noch diesen roten Streifen vor mir, bis meine Knöchel schmerzten und mir Blut über die Finger rann.

„Eric, wer hat es dir denn angetan?“, fragte in dem Moment einer von den Typen aus dem Sportstudio.

Ich wischte mir den Schweiß aus der Stirn, schlug mir mein Handtuch um den Nacken. „Das Leben“, knurrte ich als Antwort und verschwand in die Dusche.

Wenig später betrat ich das Lokal, in dem wir uns zum Mittagessen trafen. Es war einer dieser schicken Schuppen, in denen sie einen wie die Bienen umschwirrten.

„Mister Adams, Ihre Verabredung wartet bereits“, sagte ein Typ im Anzug und führte mich in den ersten Stock an einen der wenigen Tische, die einen Ausblick über das ganze Lokal boten, dessen Mauern auf alt gemacht worden waren, um besonders modern zu wirken. Nur eine Fassade, wie so oft in dem beschissenen Leben.

„Eric, schön, dass es so kurzfristig geklappt hat“, sagte Simon und stand auf, um mir die Hand zu geben.

Ich reagierte nicht, ließ mich stattdessen gegenüber von ihm nieder. „Was ist so dringend?“, wollte ich wissen.

Simon nippte an seinem Glas Wein und sah mich an, als könnte es etwas ändern, wenn er noch einen Moment wartete.

„Ich wollte mit dir über ein paar Dinge sprechen“, erklärte er dann.

„Dann sprich“, sagte ich, als eine dunkelhaarige Kellnerin an unseren Tisch kam.

„Kann ich Ihnen schon etwas bringen?“, fragte sie.

„Einen Whiskey“, sagte ich und sie lächelte mich an, mit diesem Lächeln, das sie immer bekamen, wenn sie mich erkannten.

Sie nickte noch einmal und dann schwirrte sie ab.

„Also“, ergriff Simon das Wort. „Wir müssen ein paar berufliche Sachen klären. Ich habe das Gefühl, dass die Stimmung in letzter Zeit in der Gruppe etwas schlechter geworden ist, und das sollte natürlich nicht so sein. Wir sind ein Team, und es ist wichtig, dass wir reibungslos funktionieren.“

„Dann solltest du uns vielleicht nicht bescheißen“, sagte ich hart, und Simon verschluckte sich beinahe. Gut, wenn der Typ jetzt abkratzte, wäre es eben so.

„Ich bescheiße euch?“, wiederholte er prustend.

„Andersrum wird’s wohl nicht sein“, erwiderte ich trocken.

„Aber, aber wie kommst du darauf …?“

Ich hasste es, beschissen zu werden, aber ich hasste es verdammt noch mal auch, wenn jemand an seinen Lügen festhing wie an einem Klebestreifen. Ich zog ein paar Blätter Papier aus meiner Hosentasche und knallte sie ihm auf den Tisch.

„Steht da, schwarz auf weiß.“

Simon zog die Zettel zu sich heran und wurde kreidebleich. In der Zwischenzeit kam die Kellnerin, stellte den Whiskey auf den Tisch und wartete noch einen Moment.

„Wir bestellen nicht mehr“, sagte ich nüchtern.

Simon starrte mich mit glänzenden Augen an und schluckte. „Ich kann es dir erklären.“

Normalerweise wäre ich schon längst abgehauen, aber Esthers Worte waren noch immer da, irgendwo, ganz weit hinten.

„Na dann mal los“, erwiderte ich und nippte an meinem Whiskey.

3 thoughts on “Eric – 90

  1. Ich kann nicht warten!!!!!Simon hat irgendwas im Schilde denn immer wenn Eric im Büro von Simon reinstürmt versteckt er was in der Schublade !!!

    Ich bin schon gespannt

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