Eric – acht

Eric – acht

Ich hatte keinen Bock auf den Polizisten, ich wollte in meine Suite, zu dem Kingsize Bett und dem Zimmerservice, der sich um meine Minibar kümmerte, die nicht mehr mini war. Chris verließ das Zimmer mit einem beschissenen Ich-hatte-recht-Blick, den er sich sonstwo hinstecken konnte. Mein Hirn hämmerte seinen ganz eigenen Beat und am liebsten hätte ich dem Polizisten vor die Füße gekotzt.

„Sie sind mit fast 2 Promille gefahren“, erklärte er.

„Wollen Sie mir jetzt gratulieren?“, fragte ich schwach und presste die Hand gegen meine Rippen, die scheiße weh taten und mich an den Aufprall erinnerten.

„Sie können von Glück reden“, sagte er und ich begann, innerlich zu zählen, wie oft mir das Glück heute begegnet war, und wartete darauf, dass der Typ auch gleich von dem verdammten Schutzengel begann, aber er ließ es sein.

„Sie können von Glück reden, dass Sie niemanden angefahren und nur einen Baum erwischt haben. Das hätte ins Auge gehen können, Mister Adams.“

Ich nickte und schaltete auf Durchzug, so wie ich es schon früher gemacht hatte, und dann ratterte ich wie automatisch meine Daten hinunter, weil er die für den verdammten Bericht brauchte, in dem garantiert kein Schutzengel drin vorkam.

„Den Sachschaden wird sich die Stadt bezahlen lassen“, machte er weiter. „Und der Führerschein ist erst mal weg.“

„Was heißt erst mal?“, fragte ich. Bitter, der Führerschein war bitter, die Kohle war mir egal, aber ich wollte mich nicht von irgendwem herumkutschieren lassen müssen.

„Garantiert ein halbes Jahr, wenn nicht noch länger. Um den Schein wiederzubekommen, werden Sie auch ein psychologisches Gutachten benötigen.“

Ich war zu fertig, um darüber nachzudenken, und dachte nur an mein Kingsize Bett und die Dunkelheit, die mich dort erwartete. Die sanfte Dunkelheit, die mich und meine Augen in Ruhe ließ, das grelle Krankenhauslicht war zu viel für mich, ich musste hier raus.

„Kann ich gehen?“, fragte ich den Polizisten und dann sah ich das Funkeln in seinen Augen, das ich so oft schon gesehen hatte und dann wollte er noch eine Unterschrift, natürlich nicht für sich, sondern für die Tochter.

 

Am liebsten hätte ich meine Augen nie wieder geöffnet. Ich hätte ewig so daliegen können, in diesem Bett, das so scheiße weich war und das gerade nichts mit der Welt und dem grellen Licht zu tun hatte, sondern nur mit der Finsternis, die hierhergehörte. Mit Chris hatte ich während der Autofahrt kein Wort gewechselt und ich war froh, dass auch er die Klappe hielt. Musste ihn ganz schön viel Kraft gekostet haben, mich nicht mit der Aufzählung meiner Scheißaktionen vollzutexten.

Ich hatte wirres Zeug geträumt, von Unfällen und Polizisten, von Krankenschwestern und Schutzengeln mit blonden Haaren und irgendwann konnte ich nicht mehr schlafen, keine Ahnung, wie spät es war. Ich kroch aus dem Bett, ging unter die Dusche und sah mir mein Gesicht im Spiegel an. Fuck, die Schürfwunden auf der Stirn würden die Fans um den Verstand bringen. Alex würde sich freuen, sich die Hände reiben und ich ihm am liebsten die Fresse polieren.

In der Dusche kam dann der Rhythmus zu mir, dieser Rhythmus, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging, die Worte drangen in mein Hirn, sie taten es mit einer Kraft, die mich umhaute, und ich wusste nicht, ob es an den Restpromille oder an dem Umfalltrauma lag, von dem die Blonde gefaselt hatte, aber als ich auf der Couch saß und auf den Block kritzelte, kamen die Wörter aus mir heraus, sie flossen durch meine Finger auf das Papier und ich musste nichts tun, außer sie machen zu lassen.

 

… wenn die Schatten zu dir kommen

fühlst dich fertig und benommen

breitest deine Flügel aus

bist hier gar nicht mehr zu Haus

… den Wind in der Seele, die Freiheit im Bauch

gehörst nur dir selbst, vertraust darauf

 

„Na schau an, ich dachte, du kreuzt gar nicht mehr auf“, sagte Cliff und grinste schief. „Du siehst Scheiße aus – aber cool, dass du noch lebst, Mann.“

„Kann man so sagen“, antwortete ich und sah durch die Glasscheibe in den Proberaum.

Cliff fuhr sich durch die langen Haare, auf die Scheißdinger war er besonders stolz, besoffen konnte er einem über seine Schönheitspflege das Ohr ablabern. „Alex hat dich gesucht“, meinte er und trank einen Schluck Cola aus der Dose. „Wir proben schon seit ner Stunde. Kommst du gleich mit?“

„Sekunde“, sagte ich und dann ging die Tür auf und Alex stand vor mir, im Designeranzug und den polierten Schuhen, und wedelte wild mit einer Zeitung, irgend so einem Drecksblatt. Dabei sah er aus, als hätte er gerade ein Stück vom Paradies geerbt.

„Eric, grandiose Sache, GRANDIOSE SACHE“, lachte er. „Du bist wieder in der Presse, eine ganze Seite. Erzähl, hast du tatsächlich eine Krankenschwester flachgelegt?“

3 thoughts on “Eric – acht

  1. Hey,
    mir gefällt euer Blogroman sehr gut. Die menschlichen Ichs pass sehr gut zu Lee und Ben, und manche Freunde von ihnen erinnern an andere Sinnträger. Flo und Chris erinnern mich sehr stark an Simeon. Die Bücher der 8-Sinne-Reihe gefallen mir spitze!
    Ich wünsche euch noch Viel Spaß und Motivation für weitere wundervolle Werke!
    Viele Liebe Grüße
    Dasha

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