Eric – neun

Eric – neun

„Warum sind Sie heute hier?“, fragte die Frau, die wie eine Bulldogge aussah, und bei der ich mir nicht sicher war, ob sie nicht tatsächlich eine war, aber immerhin stand Dr. Elisabeth Madison an der Tür, auf ihrer Karte und auf dem goldenen Schild vor ihr.

„Sicher nicht, weil ich Bock habe“, sagte ich und streckte die Beine aus. Die Prellungen spürte ich kaum, vielleicht lag es an den Schmerzmitteln, vielleicht heilten sie, keine Ahnung, aber den Scheiß hier konnte ich unmöglich ohne Schmerzmittel ertragen. Die kotzgelben Wände erinnerten ans Heim, die dunkelbraunen Möbel waren aus dem letzten Jahrhundert und die verdammte Zeit schien hier stillzustehen. Acht Stunden, acht beschissene Stunden hatte Alex gesagt, aber ich wollte mir das echt nicht reinziehen.

„Worauf haben Sie denn Bock?“, fragte die Bulldogge mit dem bescheuerten Pagenschnitt und betonte „Bock“ so wie es nur Leute tun, die das Wort nicht in ihrem Sprachschatz haben, und die niemals zugeben würden, dass sie früher auch mal gekifft haben. Die Bulldogge fasste sich an die eckige Brille und schob sie an der Nase hoch.

„Unterzeichnen Sie einfach den Wisch und ich hau wieder ab“, sagte ich und gähnte. Die gestrige Nacht war wieder verdammt lang geworden, denn die Proben liefen gut und die neuen Songs waren der Hammer. Ich sollte im Studio sein und nicht bei einer Psycho-Stunde.

„Klar, geben Sie mir den Zettel und ich unterschreibe ihn für Sie. Schließlich wollte ich schon immer einem Star ein Autogramm geben. Ist doch mal was anderes.“ Sie lächelte nicht, als sie das sagte, und ihre dunklen Bulldoggenaugen starrten mich an, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. Mir wurde klar, dass ich jetzt sagen konnte, was ich wollte, es wäre nicht mehr als ein beschissener Happen, den sie fressen würde.

Ich zog trotzdem das Formular aus der Hosentasche, beugte mich nach vorne und legte es auf ihren dicken Mahagonitisch. Die Bulldogge starrte mich weiterhin an, ohne auch nur einmal auf das Formular zu sehen. Die Tante hatte eine irre Ausstrahlung, es war, als würde sie in mich hineinsehen, mit ihrer eckigen Brille und dem tiefen Blick, es war unheimlich, fast wie aus einem Horrorstreifen.

„Warum sind Sie hier?“, wiederholte sie ihre Frage.

Ich rieb mir über die Augen. „Sie wissen, warum ich hier bin.“

„Sagen Sie es mir“.

Ich ließ mich nach hinten fallen. „Auf genau so eine Scheiße habe ich keinen Bock.“

Sie starrte noch immer. „Was für eine Scheiße?“ Wahrscheinlich tat es ihr körperlich weh, so zu reden und ich schloss kurz die Augen, dieser verdammte Alex, warum hatte er mir nicht eine andere Psychotante besorgt, warum musste ich gerade zu der Bulldogge gehen, scheiß auf die richterliche Anordnung.

Ich schluckte. „Ich habe keine Lust, hier über die Gründe für meinen Unfall zu labern, denn der Grund ist, dass ich mich einfach hab volllaufen lassen, dass ich mich einfach hab treiben lassen, dass ich mein Hirn ausgeschaltet hab, so wie der, der sich für die Wandfarbe hier entschieden hat.“

„Sie vergleichen die Wahl der Wandfarbe mit Ihrem Unfall?“

Und schon ging’s los. Die verdammten Fragen, die tiefer führen sollten, die durch mich hindurch dringen sollten wie ein Schwert, ein sauberer Stich nach dem anderen, um das freizulegen, was sie therapieren konnte, um zu erfahren, warum ich so war, wie ich war, warum ich tat, was ich tat, warum ich gerne trank und die Welt hinter mir ließ.

„Das hat keinen Sinn“, sagte ich hart, „ich will mich von Ihnen nicht therapieren lassen, das können Sie gerne mit wem anderen machen.“ Ich stand auf.

Die Bulldogge legte die Brille ab und massierte sich die Nasenwurzel. „Mister Adams, Sie sind nicht zum Spaß hier. Es handelt sich um eine richterliche Anordnung, wie Sie wissen. Wenn Sie Ihren Führerschein nicht wollen – dort ist die Tür, mir ist das vollkommen egal.“

„Aber“, machte sie weiter, „wir können diese acht Stunden auch gemeinsam durchziehen, Sie können reden wenn Sie wollen, Sie können es aber auch sein lassen. Mein Angebot an Sie: Wir können uns auch acht Stunden lang anstarren und danach bekommen Sie mein Autogramm.“ Sie setzte sich ihre Brille wieder auf und ihre Bulldoggenaugen starrten mich wieder an, mit diesem durchdringenden Blick, der fast unerträglich war. „Na, was sagen Sie dazu?“

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