Eric – vierundvierzig

Eric – vierundvierzig

Sie funkelte mich an und ich hatte das Gefühl, ihr wäre am liebsten, wenn ich einfach wieder abhauen würde. Bei jeder anderen hätte ich überlegt, wie wichtig es mir war, sie flachzulegen – und ob mir das den Aufwand wert war.

Aber Esther war nicht jede andere. Sie mischte die Karten neu, sie wirbelte alles durcheinander und fuck, ich war mir nicht sicher, ob mir der Scheiß gefiel.

Natürlich gefiel sie mir. Es hatte sich so verflucht gut angefühlt, sie in meinen Armen zu halten und in diesem muffigen Kostümladen zu küssen, ich wollte mehr, wollte mit ihr schlafen, wollte sie mit in mein Bett nehmen und erst am nächsten Morgen wieder hinaus lassen – und gleichzeitig hatte ich Schiss davor, das zwischen uns kaputt zu machen.

Dabei hätte ich mir darüber keine Gedanken machen müssen.

Denn jetzt stand ich hier, in dieser abgefuckten, winzigen Bude, die überhaupt nicht zu ihr passte, und hatte es schon versaut, bevor es überhaupt richtig anfing.

„Ich wollte dich nur besser kennenlernen“, knurrte ich, weil mir die scheiß Stimmung auf die Eier ging, und weil ich nicht wollte, dass sie mich so ansah. Sie sollte mich wieder so ansehen wie vorher, in dem Kostümladen.

„Indem du dich betrinkst?“, fragte sie.

„Fuck, nein! Es war doch nur ne einfache Frage. Ich kenne außer dir niemanden, der keinen Alkohol im Haus hat.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Interessant.“

Ich schüttelte den Kopf. „Hey, können wir zu dem Punkt zurückkehren, wo du noch normal mit mir geredet hast?“

Sie lachte laut auf. „Ach, ich rede nicht normal mit dir?“

„Fühlt sich das für dich normal an?“

Sie schnaubte. „Weißt du was? Lassen wir das einfach. Es war eine blöde Idee, dich hierher zu bringen.“

„Ach ja, findest du?“

„Ja, das finde ich“, antwortete sie heftig. „Du siehst dich um, als würde hier jeden Moment eine Kakerlake über den Teppich krabbeln.“

„Auf dem Fensterbrett hinter dir hab ich auch eine gesehen“, erwiderte ich trocken.

Sie fuhr erschrocken herum und ich musste grinsen. „War ein Scherz.“

„Du bist so ein Arsch!“, fauchte sie mich an.

„Ich weiß“, murmelte ich und machte einen Schritt auf sie zu. Ihr Augenbrauen waren leicht zusammengezogen und sie sah hinreißend aus, wenn sie wütend war. „Hör zu. Es tut mir leid“, murmelte ich. Es war seltsam, mich zu entschuldigen. Keine Ahnung, wann ich das zuletzt getan hatte. „Ich bin nicht besonders gut in so was.“

„Worin genau?“, hakte sie nach und ich lächelte. „Bei dir hört man schon die Anwältin durchklingen.“

„Das ist keine Antwort auf meine Frage“, gab sie ungerührt zurück.

„Ich bin nicht gut in … Beziehungen.“ Ich hob die Hand und strich ihr eine dunkelblonde Haarsträhne von der Wange. „Du kannst die Jungs fragen, wenn du mir nicht glaubst.“

„Ich kenne deine Jungs doch gar nicht.“

„Das werden wir ändern.“

Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Im nächsten Moment klingelte ihr Handy und sie griff nach ihrer Handtasche, in der sie eine gefühlte Ewigkeit wühlte, bevor sie das bimmelnde Ding endlich gefunden hatte.

„Hallo?“, meldete sie sich ein wenig atemlos. Ich beobachtete sie fasziniert und ließ meine Hand sanft von ihrem Kinn über ihren Hals bis zu ihrem Schlüsselbein gleiten. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, ich konnte es an dem Pochen ihrer Halsschlagader sehen, und zu wissen, dass ich es war, auf den sie so reagierte, machte mich total an.

„Hallo Mama“, presste sie hervor und versuchte, ganz normal zu klingen. „Ja, es ist alles in Ordnung bei mir.“

„Wie fühlst du dich, Schatz?“, hörte ich ihre Mutter durch das Telefon fragen.

„Sag ihr, du fühlst dich fantastisch“, raunte ich und hätte meine Hand gern noch etwas tiefer wandern lassen. Stattdessen strich ich hinüber zu dem anderen Schlüsselbein und fixierte dabei ihr Gesicht.

„Mir … geht es fantastisch“, hauchte sie und verdammt, ich hätte ihr am liebsten den Hörer aus der Hand gerissen und sie gleich jetzt …

„Was soll ich?“ Ihre Stimme wurde einen Tick höher und sie nestelte nervös an ihrer Kette herum. „Wann … jetzt?!“

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