Esther – 133

Esther – 133

 

„Und dann hattet ihr Sex in deinem alten Zimmer?“, fragte Flo über die Schulter, als sie ihr Popcorn von dem Verkäufer an der Kinotheke entgegennahm.

„Nicht so laut“, flüsterte ich und spürte, wie ich unter dem neugierigen Blick des jungen Mannes mit dem Kinnbärtchen errötete.

„Du hattest also Sex mit Eric Adams in deinem alten Zimmer?“, wiederholte Flo noch einen Tick lauter, während sie mir grinsend meinen Pappbecher mit Cola in die Hand drückte.

Ein paar Leute in der Schlange hinter uns begannen schon zu gucken und ich beeilte mich, zu unserem Kinosaal zu kommen. „Das macht dir Spaß, oder?“, zischte ich dann.

Flo grinste noch immer bis über beide Ohren. „Ach, komm schon. Gönn mir dieses winzige Vergnügen. Schließlich hab ich zur Zeit überhaupt keinen Sex mit Chris.“

Ich nestelte meine Kinokarte aus der Jeans und zeigte sie dem Kartenabreißer, bevor wir den dunklen Saal betraten. „Das ist für jemanden wie dich sicher frustrierend.“

„Hey.“ Flo stieß mich mit der Schulter leicht an. „Jetzt ist aber genug mit der Retourkutsche.“

„Sorry.“ Ich linste auf meine Karte und steckte mir gleichzeitig ein Popcorn in den Mund. „Das wird schon wieder. Schließlich ist es ja noch nicht lange her, dass du ihn mit Aron betrogen hast.“

Flo stieg hinter mir die flachen Stufen hinauf. „Ich weiß. Danke, dass du mich daran erinnerst.“

Ich warf lächelnd einen Blick zurück. „Gern geschehen. Also, wie ist der aktuelle Stand der Dinge bei euch?“

Flo seufzte tief. „Er hat mich zu einer Therapeutin geschleppt. Eine Dr. Madison oder so ähnlich. Sie hat eine furchtbare Frisur und ein Gesicht wie ein Hund. Ich schwöre dir, ihre Wangen haben was von einer Bulldogge. Von der Art her ist sie aber mehr wie ein Terrier – wenn sie irgendetwas hört, das sie interessiert, verbeißt sie sich darin und lässt nicht mehr los.“

„Klingt, als wäre sie gut“, erwiderte ich, obwohl ich mit Therapeuten bisher noch keine Erfahrungen gesammelt hatte.

Flo zuckte mit den Schultern und schlüpfte mit mir in die 13. Reihe. „Keine Ahnung. Eric hat Chris die Tante empfohlen. Also wahrscheinlich ist sie es.“

„Das klingt doch gut“, meinte ich, obwohl Flo nicht so aussah, als ob es wirklich gut wäre. Prompt schüttelte sie den Kopf.

„Nein, Esther – es ist furchtbar. Zuerst dachte ich, sie würde mich einfach als die Böse hinstellen. Schließlich habe ich meinen zukünftigen Mann am Tag vor der Hochzeit betrogen. Aber stattdessen versucht sie herauszufinden, wieso ich mir so die Birne weggeknallt habe.“

Ich richtete meinen Blick auf die riesige Leinwand, auf der noch immer Werbung gezeigt wurde. „Offensichtlich betreibt sie Ursachenforschung. Das ist doch nichts Schlechtes, Flo.“

Flo seufzte. „Vielleicht. Allerdings müssen wir jetzt ständig miteinander spazieren gehen.“

Ich schmunzelte, woraufhin Flo so heftig den Kopf schüttele, dass ihre rotblonden Locken hin und her flogen. „Hör auf, so zu grinsen. Du brauchst nicht zu glauben, dass es ein Spaziergang wie bei dir und Eric ist, der in heißem Sex endet. Stattdessen ist es ein Spazierengehen, in dem wir über unsere Gefühle reden sollen.“

„Aber du redest doch gern über deine Gefühle.“

Sie stöhnte. „Ja. Wenn der Typ ein Arsch ist und ich im Recht bin. Dann rede ich gern über meine Gefühle. Wenn ich diejenige bin, die alles verbockt hat, dann eher weniger.“ Sie sog geräuschvoll an ihrem Strohhalm. „Lass uns das Thema wechseln. Was gibt es denn bei dir so Neues?“

Ich überlegte kurz. „Meine Eltern wollen mir einen Hochzeitsplaner namens Sanchez aufs Auge drücken.“

Flo schwieg für einen Augenblick. „Das ist doch toll“, erwiderte sie dann mit leicht veränderter Stimme. „Dann musst du dich nicht allein mit dem ganzen Heiratskram rumschlagen.“

Ich sah sie von der Seite an. „Sorry. Ich weiß, das Thema ist gerade schmerzhaft für dich. Soll ich es in Zukunft lieber umschiffen?“

„Schmerzhaft?“, wiederholte Flo. „Nur weil du einen der berühmtesten Sänger unserer Zeit heiratest und stinkreich wirst? Ich bitte dich.“ Sie zwinkerte mir zu und wurde dann ernst. „Ehrlich Esther – ich freu mich für dich.“

„Wirklich?“

Flo stopfte sich eine Handvoll Popcorn in den Mund. „Hab ich schon jemals etwas zu dir gesagt, nur damit du dich besser fühlst?“

„Nein.“

„Na eben.“ Flo grinste mich an. „Und abgesehen von dem Hochzeitsplaner ist sonst alles okay?“

„Ich glaube schon“, erwiderte ich mit gedämpfter Stimme, als die Werbung endete und die Filmtrailer anfingen. „Eric war auf der Heimfahrt allerdings ruhiger als sonst. Er sagte, er müsse Ende der Woche auf irgendeine Veranstaltung, auf die er keinen Bock hat. Aber ich denke, das ist nicht alles. Ich fürchte, es kriselt in seiner Band.“

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