Esther – 144 (inkl. Leseprobe aus „19 – Das erste Buch der magischen Angst“!)

Esther – 144 (inkl. Leseprobe aus „19 – Das erste Buch der magischen Angst“!)

Ich starrte Flo fassungslos an. „Chris soll dich betrügen?“, fragte ich dann. „Der Chris, der seit Monaten mit dir zur Therapie geht, weil er eure Beziehung retten möchte?“

„Ich weiß.“ Flo sah sich in dem steinernen Arkadengang der Universität kurz um. „Es klingt verrückt. Aber er verhält sich in letzter Zeit so seltsam. Ich weiß, dass er irgendwas vor mir verheimlicht.“

„Vielleicht ist es etwas ganz Harmloses“, setzte ich an. Noch bevor ich den Satz zu Ende gesprochen hatte, verdrehte Flo die Augen. „Du meinst so was Harmloses, wie mit dem Gitarristen von NEBEN zu schlafen?“

„Ich glaube nicht, dass Chris etwas mit Aron anfangen würde.“

Sie schnaubte und wandte sich in Richtung des Vorlesungssaales. „Das vielleicht nicht. Aber vielleicht mit dieser blonden Tussi von der Catering-Firma, bei der er arbeitet. Als ich ihn das letzte Mal von dort abgeholt habe, haben die beiden wie im Kindergarten herumgealbert. Und als ich mich geräuspert habe, hat sie mir einen Blick zugeworfen, als wäre sie die Eiskönigin höchstpersönlich.“

„Hey. Vielleicht hat sie einfach nur von euren … Schwierigkeiten erfahren und möchte Chris beschützen. Das kann ganz …“

Flo holte tief Luft. „Wenn du jetzt noch mal harmlos sagst, muss ich laut schreien.“

„Ich wollte damit nur sagen, dass es dafür eine ganz vernünftige Erklärung geben kann“, formulierte ich meinen Satz um, als wir die Tür zum Vorlesungssaal erreicht hatten.

„Hoffen wir es“, murmelte Flo deprimiert. „Denn ob du es glaubst oder nicht: Je länger wir in Therapie sind, desto mehr erkenne ich, dass Chris der Mann ist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte.“ Sie machte eine kurze Pause. „Obwohl ich bei dem Kitschgehalt dieses Satzes am liebsten rosa Einhörner im Strahl kotzen würde.“

 

Flos Worte beschäftigen mich noch, als ich die Universität am Nachmittag verließ. War es möglich, dass zwischen Chris und seiner blonden Kollegin wirklich etwas lief? War das eine Art Retourkutsche, die er brauchte, um sich seine Männlichkeit zu bestätigen? Oder sah Flo schon Gespenster?

Ich war so in meine Überlegungen vertieft, dass ich Jackson nur kurz zunickte, der am Fuße der breiten Steintreppe auf mich wartete, um mich nach Hause zu begleiten. Er öffnete gerade die Tür seines Wagens, als ich eine Bewegung zu meiner Linken wahrnahm und automatisch meine Schritte beschleunigte. Nach den jüngsten Erlebnissen versuchte ich jede Begegnung mit Fotografen so gut wie möglich zu vermeiden.

„Esther! Warten Sie“, erklang in dem Moment die Stimme einer Frau, die mir bekannt vorkam. Jackson fuhr sofort herum und schob seinen Körper vor mich, doch ich gab ihm mit einer sanften Berührung zu verstehen, dass es okay war.

„Schon gut, Jackson. Das ist Erics Mutter.“

Mein Leibwächter zögerte noch einen Moment, bevor er zur Seite trat und den Blick auf die Frau freigab, die Eric zur Welt gebracht hatte. Sie trug eine dunkelgrüne Seidenbluse zu einer schwarzen Hose und hatte ihre Haare hochgesteckt. Trotz der Unsicherheit in ihrem Gesicht fiel mir auf, wie attraktiv sie noch immer war. Als junge Frau musste sie absolut umwerfend gewesen sein.

„Hallo, Esther. Können wir … Ich meine … Darf ich kurz mit Ihnen sprechen?“

Es fiel ihr offensichtlich nicht leicht, mich darum zu bitten, denn sie umklammerte ihre Handtasche so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Mein erster Impuls war, einfach Ja zu sagen, doch bei dem Gedanken an Eric zögerte ich. Wie würde er darauf reagieren, wenn er erfuhr, dass ich mit seiner Mutter gesprochen hatte? Mit der Frau, die er so sehr verachtete für das, was sie getan hatte?

„Bitte“, flüsterte sie. „Ich weiß, es steht mir nicht zu. Aber es geht um Zoe. Ich muss …“ Sie unterbrach sich und rang nach Atem. „Ich muss einfach wissen, dass es ihr gut geht. Und ich möchte den Fehler, den ich bei Eric gemacht habe, nicht wiederholen. Ich will nur reden.“ Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und lief ihr über die Wange. „Und danach müsst ihr mich nie wiedersehen.“

Ihr Lieben!

Nur noch 5 x schlafen, dann erscheint der Auftakt unserer neuen Reihe „19 – Die Bücher der magischen Angst“, in der auch Eric einen Gastauftritt bekommen hat 🙂 Hier findet ihr auch schon eine Leseprobe aus dem ersten Kapitel. Wenn ihr Lust habt, noch ein bisschen mehr von „19“ kennenzulernen, haben wir heute noch einen kleinen Ausschnitt für euch 🙂

Leseprobe:

Das Stimmengewirr der anderen Studenten auf dem gepflasterten Weg klang wesentlich entspannter, als ich mich fühlte, während ich über den riesigen Campus der Columbia University irrte, auf dem sich auch mein College befand. Der Universitätscampus bestand aus gigantischen, rot-weiß gemusterten Plätzen, vielen umzäunten Rasenflächen und jeder Menge hoch aufragender alter Häuser mit hellgrünen Giebeldächern, rot-weißen Fassaden und dekorativer Rundbögen. Die Gebäude waren sicher schon über hundert Jahre alt und strahlten etwas Ehrwürdiges aus, das mich an Museen erinnerte.

Definitiv nicht die Ausstrahlung, die dabei half, sich nicht wie die größte Vollidiotin zu fühlen, weil ich es nicht schaffte, meinen Hörsaal zu finden.

„Entschuldigung. Findet hier irgendwo die Genetik-Vorlesung statt?“, fragte ich reichlich verzweifelt, als ich bereits im dritten falschen Haus in Folge nach dem Hörsaal suchte, der auf meinem Campus-Plan nicht vorzukommen schien. Das angesprochene Mädchen, eine junge Asiatin mit glatten, schwarzen Haaren, wirkte ungefähr genauso entmutigt wie ich selbst.

„Keine Ahnung“, keuchte sie. „Aber ich bin auf der Suche nach dem Vorbereitungskurs in Psychologie. Weißt du vielleicht, wo der ist?“

„Keine Ahnung“, gab ich zurück und schüttelte bedauernd den Kopf, bevor ich weiter durch die marmornen Gänge rannte. Die hohen geschnitzten Holztüren waren zwar mit Nummern versehen, aber keine wollte auch nur annähernd zu der von meiner Vorlesung passen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich schon fünf Minuten zu spät dran war, was nicht nur von einem grandios schlechten Orientierungssinn, sondern auch von einer völlig unzulänglichen Zeiteinschätzung herrührte. Wenn das so weiterging, war ich echt aufgeschmissen.

„Medizin ist mehr als eine Wissenschaft, es ist eine Lebenseinstellung“, hörte ich in diesem Moment jemanden mit sonorer Stimme aus einem Hörsaal links von mir sagen. Ein junger Mann huschte gerade in den Raum hinein, bevor er leise die Tür hinter sich schloss. Reichlich verzweifelt folgte ich ihm. Der Saal wies überhaupt keine Beschriftung auf, was mich gegen alle Vernunft hoffen ließ, dass die Stimme zu meinem Genetik-Professor gehörte und ich hier richtig war.

„Ziehen Sie sich nun Ihre Kittel an, meine Damen und Herren.“ Die sonore Stimme des Professors wurde lauter, als ich die Tür einen Spaltbreit öffnete und in den Saal spähte. Bis auf einen Haufen Studenten, die alle damit beschäftigt waren, sich grüne Plastikkittel überzuziehen, konnte ich jedoch nichts erkennen.

Eine kleine Stimme flüsterte mir zu, dass es sich bei dem Kurs wahrscheinlich nicht um Genetik handelte, doch ich war so verzweifelt, dass ich inzwischen sogar bereit war, den Professor zu fragen, wo ich hinmusste.

„Mr. Anderson, Sie dürfen heute den ersten Schnitt vornehmen.“

Ich schlüpfte zur Gänze in den Raum hinein. Er war nicht wie die anderen Hörsäle, die ich bisher gesehen hatte, in stufenförmigen Sitzreihen angeordnet, sondern komplett ebenerdig. Ein beißender Geruch nach Chemikalien lag in der Luft, der mich an Desinfektionsmittel erinnerte, unterlegt von einer noch süßlicheren Note.

„Fassen Sie das Herz so, dass die Kante der rechten Kammer nach oben steht und ihre Rückseite sichtbar wird, Mr. Anderson. Als Nächstes greifen Sie mit der linken Hand unter das Herz, bis die obere und untere Hohlvene sichtbar werden. Schneiden Sie nun auf die Vorhofkammergrenze zu, ohne sie zu verletzen.“ Die Gruppe an Studenten vor mir war mucksmäuschenstill. Sie hatte sich um einen Tisch versammelt, den ich nicht genau erkennen konnte. Das Einzige, was ich sehen konnte, war der weiße Haarschopf des Professors, der sich links von der Gruppe aufhielt. Rasch versuchte ich mich an den anderen vorbei zu drängen und den Unterricht so wenig wie möglich zu stören.

Dabei redete ich mir ein, dass es wahrscheinlich allen Erstsemestern zu Beginn ganz ähnlich ging und dass ich sicher nicht die Einzige war, die ihren Hörsaal nicht finden konnte.

„Gut, gut. Nun schneiden Sie in den linken Vorhof ein.“ Der Professor machte eine kurze Pause. „Ich sehe, Mr. Anderson kennt sich mit Herzen aus.“

Ein paar Studenten lachten.

„Oh mein Gott, mir wird schlecht“, flüsterte ein Mädchen vor mir ihrer Nachbarin zu und machte einen Schritt zur Seite. Wodurch ich einen perfekten Blick auf den weißen Tisch, die männliche Leiche darauf, sowie den konzentrierten Medizinstudenten erhaschte. Er war groß, hatte ein längliches Gesicht sowie kurze, dunkle Haare und arbeitete ohne zu zögern. In diesem Moment zog er, wie vom Professor angeordnet, das Herz des Toten in die Höhe.

Das Mädchen, das vorhin zur Seite getreten war, presste sich den Handrücken gegen den Mund und atmete heftig durch die Nase.

„Brauchen Sie frische Luft?“, fragte der Professor ruhig.

„Ja … Nein … Ich weiß nicht“, murmelte sie erstickt. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie eine silberne Schale in der zitternden Hand hielt, die sie mir plötzlich weiterreichte, bevor sie sich umdrehte und aus dem Saal stürmte.

Ein paar Typen klatschten grölend, während die meisten still blieben und mich anstarrten.

„Entnehmen Sie nun das Herz aus der Brusthöhle, Mr. Anderson“, wies der weißhaarige Professor den dunkelhaarigen Typen an. Er war ein wenig zu dünn für seine Körpergröße, wobei das seiner Wirkung auf mich keinen Abbruch tat. Fasziniert beobachtete ich, wie er die letzten Schnitte durchführte und das Herz in die Höhe hob.

„Fuck“, murmelte jemand neben mir, während ich noch immer wie angewurzelt dastand und nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Mir war klar, dass ich den Professor nach der Genetik-Vorlesung fragen sollte, doch stattdessen hielt ich eine silberne Schale in der Hand und starrte einen Typen an, dessen disziplinierte Bewegungen eine unerklärliche Anziehung auf mich ausübten.

„Schale“, blaffte der Professor, als der dunkelhaarige Student aufsah und mich auffordernd betrachtete. In dem Moment, als sich unsere Blicke trafen, geschah etwas mit meinem eigenen Herzen.

„Schale!“, wiederholte der Professor etwas nachdrücklicher. „Und wo zur Hölle ist Ihre Schutzkleidung?“

„Ich … äh … ich suche eigentlich den Genetik-Kurs“, stammelte ich und spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg.

„Ich suche jemanden, der mir ein Herz abnimmt“, sagte der Typ mit dem Messer und legte den Kopf leicht schief. Er hatte eindringliche dunkelbraune Augen und eine etwas zu lange Nase, die seinem Gesicht jedoch erst das gewisse Etwas verlieh.

Weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte, trat ich an den Tisch und hielt ihm die silberne Schale hin. Er ließ das Herz hineingleiten und hob eine Augenbraue. Ich hob ebenfalls eine Augenbraue.

„Und jetzt?“, fragte ich ein wenig widerspenstig.

Ende der Leseprobe

… wie es weitergeht erfahrt ihr ab dem 2.12. wenn „19 – Das erste Buch der magischen Angst“ eeendlich erscheint 🙂

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