Esther – 156

Esther – 156

Das Gefühl, innerlich zu zerreißen, wurde übermächtig.

Ich wollte nicht mehr. Ich wollte, dass es aufhörte.

„Es ist gleich geschafft!“, rief die Krankenschwester. „Einmal noch. Mit viel Kraft!“

Neben mir spürte ich Eric, der in den letzten Stunden nicht von meiner Seite gewichen war, mir mit einem Waschlappen über die Stirn streichen.

Ich konnte nicht mehr. Ich war so müde. Dennoch zwang ich mich dazu, noch ein weiteres Mal zu pressen. Den Schmerz und die Angst zu ignorieren und jede Reserve aus meinem Körper zu holen, um unser Baby auf die Welt zu bringen.

Von einer Sekunde auf die andere hörte der schmerzhafte Widerstand auf. Ein warmes Gefühl flutetet durch mich hindurch, das immer stärker wurde, als die Krankenschwester unser Baby in die Höhe hielt.

„Herzlichen Glückwunsch. Sie haben eine wunderschöne Tochter.“

Blinzelnd starrte ich auf das perfekte kleine Wesen in ihren Händen. Es hatte klatschnasse dunkle Haare, eine unglaublich entzückende kleine Nase und die Augen fest geschlossen. Im nächsten Moment verzog es weinerlich das Gesicht, bevor es ein leises Quäken von sich gab.

Völlig überwältigt sah ich zu, wie die Krankenschwester mir unsere Tochter auf die Brust legte. Gefühle überfluteten mich, die stärker waren als alles, was ich bisher empfunden hatte. Sanft streichelte ich ihren gebogenen kleinen Rücken, der sich ganz warm anfühlte.

„Hier“, sagte die Krankenschwester und breitete eine kuschelige Decke über uns aus. „Lernen Sie sich erst mal kennen.“

„Sie ist … absolut perfekt“, flüsterte Eric mit heiserer Stimme, während er zärtlich über ihre kleine Faust strich. Sofort öffnete sich ihre winzige Hand und sie packte seinen Finger, als ob sie ihn nie wieder loslassen wollte.

„Das ist sie“, hauchte ich, während mir Tränen der Erleichterung und des Glücks in die Augen stiegen. Noch konnte ich nicht ganz realisieren, dass das hier unsere Tochter war, aber ich wusste, dass ich dieses kleine Wesen schon jetzt mehr liebte, als ich es jemals für möglich gehalten hätte.

Eric betrachtete seine Tochter mit einem Ausdruck ungläubigen Staunens, als könne er es noch immer nicht fassen, dass sie jetzt da war. Ihre zerknautschten Wangen waren ganz rosig. Sie war mit Abstand das schönste Baby, das ich je gesehen hatte.

„Wie willst du sie nennen?“, flüsterte ich, während ich ihr sanft über ihre nassen dunklen Haare strich.

In diesem Moment öffnete sie zum ersten Mal ihre Augen. Sie waren von dem gleichen wunderschönen Blau wie Erics Augen.

Er schluckte. „Ich weiß noch nicht. Ich finde, sie sieht aus wie du.“

Lächelnd streichelte ich ihr über ihr kleines Köpfchen. „Ich finde, sie sieht aus wie du.“

„Okay, einigen wir uns darauf, dass sie eine perfekte Mischung aus uns beiden ist.“

„Was hältst du von Ella?“, fragte ich, da mir der Name bei ihrem Anblick spontan in den Sinn kam.

„Ella.“ Der zärtliche Klang in Erics tiefer Stimme jagte mir einen Schauer über die Haut. So wie er ihren Namen sagte, wusste ich, dass er sie immer vor allem beschützen würde. „Ich finde Ella wunderschön.“

„Verzeihung.“ Eine junge Krankenschwester mit rötlichen Haaren streckte ihren Kopf ins Zimmer. „Draußen im Wartebereich haben sich einige Menschen eingefunden, die ständig fragen, ob es schon Neuigkeiten vom Hochzeitsbaby gibt.“

Grinsend blickte ich Eric an. „Ich glaube, du solltest rausgehen und die gute Nachricht verkünden.“

Er schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Die können ruhig ein bisschen warten.“

„Richtig so“, mischte sich unsere Hebamme zufrieden ein. „Jetzt dürfen Sie erst mal die Nabelschnur durchschneiden und danach zeige ich Ihnen, wie Sie Ihre kleine Tochter baden und wickeln können, damit das nicht nur Ihre Frau machen muss.“

„Zukünftige Frau“, verbesserte ich frech, woraufhin Eric mir einen langen Kuss gab.

„Das holen wir nach“, versprach er und ich konnte in seinen Augen sehen, wie ernst er es meinte.

4 thoughts on “Esther – 156

  1. Jede Woche freue ich mich auf die Fortsetzungen der superschönen Geschichte von Esther und Eric.
    Schade, dass ihr die Geschichte nicht mehr weiterschreiben möchtet.
    Ich plädiere für eine 4. Staffel über das Leben der kleinen Familie und vor allem, wie die kleine Ella heranwächst.

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