Esther – 58

Esther – 58

„Hoppla“, sagte eine männliche Stimme und dann blickte ich schon in die grünen Augen meines Dozenten und hoffte inständig, dass er keinen vollen Becher Kaffee in der Hand hielt, da ich wirklich keine Lust hatte, unsere erste Begegnung an der Uni zu wiederholen. Noch heute erinnerte ich mich lebhaft an den braunen Kaffeefleck auf dem weißen Hemd, den ich hinterlassen hatte, als ich in ihn hineingerannt war – und an sein Lächeln in der Vorlesung danach, mit dem er mich immer wieder betrachtet hatte. – All diese Gedanken ratterten durch mein Hirn, während ich die Luft anhielt und auf der Türschwelle zum Coffeeshop erstarrte.

Doch zum Glück hatte er keinen vollen Becher Kaffee in der Hand, zum Glück hatte er gar nichts in der Hand, da er den Laden anscheinend auch gerade erst betreten hatte. Erleichtert atmete ich aus und versuchte, zu lächeln.

„Sorry, Mr. Norris“, murmelte ich. „Das war wohl etwas zu stürmisch.“

„Nennen Sie mich Liam“, erwiderte er mit einem Zwinkern. „Und nebenbei gesagt freut es mich sehr, dass es Ihnen wieder gut genug geht, um durchs Leben zu stürmen.“

Ich nickte und wollte schon weitergehen, als er mich sanft am Ellbogen berührte.

„Wie sieht es eigentlich mit Ihrem Projektthema aus? Wir wollten doch mal bei einer Tasse Kaffee darüber sprechen.“

Überrumpelt starrte ich ihn an. „Ich … ja, das wäre sehr nett von Ihnen“, erwiderte ich nickend.

Mr. Norris – Liam – lächelte. „Wunderbar. Kommen Sie doch einfach morgen nach der Vorlesung zu mir, dann gehen wir alles in Ruhe durch.“

 

Am Nachmittag war viel zu tun und die Zeit verging wie im Flug. Mein Boss hatte mir ein paar Mal gesagt, wie froh er darüber war, dass ich wieder aus dem Koma erwacht war, da meine Vertretungen alle miteinander dumme Gänschen gewesen seien, die nicht fähig waren, sich eine längere Bestellung zu merken.

Mit Greg hatte ich kaum drei Wörter gewechselt seit ich wieder da war. Nachdem er sich in mein Privatleben eingemischt hatte, war die Beziehung zwischen uns deutlich abgekühlt und wir sprachen nur noch das Nötigste miteinander. Was für mich okay war. So konnte ich in den Pausen für die Uni büffeln und die restliche Zeit über wanderten meine Gedanken wie von allein zu Eric, seinen Lippen, seinen Händen und seinen Liedern. Selbst wenn ich den Text von den Vorlesungen durchging, schob er sich immer wieder in meine Gedanken und ich brauchte meine ganze Disziplin, um ihn da auch wieder hinauszubekommen.

 

Es war schon Abend, als ich zum ersten Mal auf die Uhr schaute. Vom langen Stehen taten mir die Füße weh, aber die Kunden waren heute nett gewesen und hatten jede Menge Trinkgeld dagelassen. Ich reichte gerade einem freundlichen Mann mit dunklen Locken seinen Kaffee, als ich Gregs angepissten Blick auffing, der gerade damit beschäftigt war, die Tische abzuräumen. Ich ignorierte ihn und wandte mich einer Kundin zu, als die Tür heftig aufgestoßen wurde. Das Glöckchen bimmelte hektisch und Greg hielt mitten in der Bewegung inne. Ich sah, wie er mit den leeren Kaffeetassen in der Hand zur Tür starrte und folgte seinem Blick. Dabei machte mein Herz einen kleinen Hüpfer.

Eric war gekommen.

Er hatte mich seit meinem Unfall noch nie von der Arbeit abgeholt und ich fühlte eine kribbelnde Welle der Aufregung durch meinen Körper rasen. Sein Gesicht war verschlossen, aber das tat seiner Anziehungskraft keinen Abbruch – ganz im Gegenteil. Seine schwarzen Haare fielen ihm rebellisch in die Stirn und seine schwarze Lederjacke unterstrich seine düstere Ausstrahlung.

Erics Blick saugte sich an Gregs Gesicht fest und die Spannung zwischen den beiden Männern war beinahe greifbar.

„Du“, sagte Eric und machte einen Schritt auf Greg zu. Dabei kniff er leicht die Augen zusammen und in seinem Blick lag soviel Abscheu, als ob Greg gerade einen lebenden Wurm verspeist hätte.

„Was?“, fauchte Greg zurück, fuhr sich im nächsten Moment aber nervös durch die strubbeligen hellbraunen Haare.

„Du hast mich angelogen“, sagte Eric kalt.

Greg wischte mit seinem Lappen über den nächstbesten Tisch und schüttelte den Kopf. „Ich hab keine Ahnung, wovon du redest.“

Eric zog eine Augenbraue hoch. „Dann werde ich dir auf die Sprünge helfen.“

5 thoughts on “Esther – 58

  1. Ich liebe die Geschichte von Esther und Eric. ? und die Bücher von 8 Sinne haben mich so in Ihren Bann gezogen, dass ich das Buch teilweise nicht mehr aus der Hand gelegt habe. ? Bin so gespannt wie es weiter geht.

  2. An Mr. Norris habe ich gar nicht mehr gedacht…ich muss den Blogroman nochmal von Anfang an lesen?.
    Mal schauen, wie Eric Greg auf die Sprünge helfen möchte und was er von Liam hält.

  3. Jetzt geht er bestimmt voll ab….hoffentlich hat das keine bösen Konsequenzen… bin gespannt wie es weiter geht?
    Außerdem hoffe ich, das Ester sich endlich mal einen Ruck gibt und Eric ihre Gefühle gesteht?

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