Esther – 62

Esther – 62

„Es muss unglaublich sein, mit einem Mann wie Eric zusammen zu sein“, fuhr Mary sehnsüchtig fort. „Jemand, der Lieder für dich schreibt – und jede Frau auf der Welt haben könnte.“

„Na ja, sicher nicht jede“, bemerkte Mr. Norris und Flo zog eine Augenbraue hoch, bevor sie mir einen vielsagenden Blick zuwarf.

„Zumindest jede, die noch bei Verstand ist“, konterte Mary sofort und ihre großen grauen Augen funkelten. „Er ist nicht nur wahnsinnig sexy und berühmt, er hat auch die unglaublichste Stimme …“

„Das ist sicher Geschmackssache“, unterbrach ich sie nachdrücklich, da mir die Richtung, die das Gespräch genommen hatte, nicht gefiel. Mr. Norris war mein Dozent, und ich hatte keine Lust, mit ihm meine Beziehung zu diskutieren. „Passt es Ihnen noch, dass ich heute nach der Vorlesung wegen meiner Projektarbeit zu Ihnen ins Büro komme?“, fragte ich ihn dann.

Mr. Norris wirkte für einen Moment abgelenkt, bevor er nickte. Wir hatten den Campus in der Zwischenzeit überquert und waren schon fast vor dem Vorlesungssaal angekommen.

„Natürlich“, erwiderte er dann. „Kommen Sie einfach vorbei, ich habe Zeit.“

 

Das Büro von Mr. Norris war klein und vollgeräumt und roch nach Kaffee.

„Hallo“, sagte ich, nachdem ich die dunkle Holztür aufgedrückt hatte. „Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen.“

„Für eine so vielversprechende junge Frau wie Sie immer gerne“, erwiderte er mit einem charmanten Lächeln und stand hinter seinem schmalen Schreibtisch auf, auf dessen Arbeitsfläche sich Berge von Unterlagen türmten. Rasch trat ich über die Schwelle und schloss die Tür hinter mir. Dann blickte ich mich um.

In den Wandregalen fand sich jede Menge Fachliteratur und erinnerte mich daran, dass ich meinem Studium seit dem Unfall ein wenig hinterherhinkte.

„Willst du dich nicht setzen?“, fragte Mr. Norris und ging damit gelassen zum Du über, während er auf einen freien Stuhl zeigte.

„Natürlich. Gern“, erwiderte ich und setzte mich. Dabei rutschte mein Kleid ein Stück hoch und ich zog es rasch wieder hinunter, als ich bemerkte, dass er meine Beine anstarrte.

Einen Moment lang herrschte eine unangenehme Stille, dann räusperte er sich. „Also. Dein Projektthema. Wofür hast du dich entschieden?“

„Ich möchte mich mit soziologischer Diskriminierung beschäftigen“, erwiderte ich. „Es geht mir hier vor allem um die rechtswissenschaftliche Sicht darauf, aber ich finde es auch wichtig, die ethische Komponente zu berücksichtigen.“

„Klingt interessant. Sprich weiter“, forderte er mich auf und kam um den Schreibtisch herum. Dann setzte er sich direkt vor meinem Stuhl auf die Tischkante, sodass sich unsere Knie beinahe berührten.

„Nun, das Thema Diskriminierung beschäftigt mich schon länger“, begann ich zu sprechen und versuchte zu ignorieren, dass die Augen des Dozenten von meinem Gesicht hinunter zu meinem Ausschnitt wanderten. „Schließlich begegnet es einem so gut wie jeden Tag.“

„Bist du selbst auch schon diskriminiert worden?“, fragte er und betrachtete mich intensiv.

Ich drehte an meinem Ring, während ich nickte.

„Natürlich“, erwiderte ich dann. „Es hat schon als Kind angefangen, als ich im Fasching als Feuerwehrmann gehen wollte und mir die Nachbarin eingeredet hat, dass das nur was für Jungs ist.“

„Und hast du es trotzdem durchgezogen?“, fragte er.

Ich nickte lächelnd. „Meine Mutter hat das Kostüm für mich genäht. In meinen Augen war es das coolste Feuerwehrmann-Kostüm auf der ganzen Welt.“

Er schmunzelte und beugte sich vertraulich näher. „Ich muss gestehen, dass mir dein heutiger Kleidungsstil aber mehr zusagt“, flüsterte er mir dann zu.

Sein Atem roch nach Kaffee und ich merkte, wie sich mein Körper versteifte, als sein Blick erneut zu meinem Ausschnitt glitt und dort hängen blieb. Unwillkürlich rutschte ich mitsamt meinem Stuhl ein Stück zurück und überlegte, ob ich etwas sagen oder einfach aufstehen und gehen sollte.

Seine grünen Augen folgten meiner Bewegung. „Wo willst du denn hin?“, fragte er dann heiser.

9 thoughts on “Esther – 62

  1. ??oh nein das is schlimm das is mega schlimm!!Bitte tu Esther das nicht an und ersterecht nicht Eric. Sie ist sein Leben! Bitte tu etwas dagegen das soetwas nicht passiert.

  2. Oh man solche Profs braucht man echt nicht, arme Esther… Hoffentlich hat Eric genug auf sie abgefärbt für eine beherzte Reaktion!

  3. Mir würde in so einer Situation nicht wirklich etwas schlagfertiges einfallen, aber da ihr 2 ja wesentlich kreativer seid als ich: Lasst sie bitte den Typ verbal fertig machen! ?

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