Esther – 67

Esther – 67

„Ich habe nur vergessen, dass ich Chris anrufen wollte“, sagte er plötzlich. Ich sah ihm an, dass er in Gedanken schon bei seinem Cousin war und beobachtete, wie er nach seinem Handy griff und mit schnellen Schritten das Zimmer verließ. Irritiert blickte ich ihm nach. Es schien ein wichtiger Anruf zu sein, aber ich wollte nicht nachfragen, da ich das Gefühl hatte, dass es etwas Privates war.

Mit einem kleinen Seufzen wandte ich mich wieder den bodentiefen Fenstern und der unglaublichen Aussicht des Chalets zu. Von hier aus konnte man die Gipfel der schneebedeckten Berge erkennen und die Sonne tauchte alles in ein warmes, goldenes Licht. Eigentlich war es wunderschön hier und trotzdem konnte ich es nicht so richtig genießen, weil ich gedanklich immer wieder zu dem Moment zurückkehrte, als ich Mister Norris blutend auf dem Boden liegen gesehen hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie es in der Uni nun für mich weitergehen würde, aber Eric gab mir noch mehr Rätsel auf. Seit er aus Vegas zurückgekommen war, wirkte er verändert, als wäre er mit seinen eigenen Dämonen beschäftigt.

Unruhig wandte ich mich vom Fenster ab und ging über den hellen flauschigen Teppich zu dem bequemen Sofa gegenüber vom Kamin. Dort kuschelte ich mich zwischen die hellgrauen Kissen und starrte an die holzverkleidete Decke mit den dicken Stützbalken. Zuvor hätte ich schwören können, dass Erics Stimmung etwas mit mir und dem Vorfall an der Uni zu tun hatte, doch er hatte so nachdrücklich widersprochen, dass ich diese Theorie wieder verwarf.

Doch was war es dann, was ihn so sehr beschäftigte?

In diesem Moment ging die Tür wieder auf und Eric kam zurück. Als er mich auf dem Sofa liegen sah, zog er besorgt die Augenbrauen zusammen

„Geht es dir wieder schlechter?“, fragte er rau.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin nur ein bisschen müde.“

Er setzte sich neben mich und ich atmete automatisch tiefer ein, als mich sein Duft umhüllte.

„Sicher?“, hakte er nach.

„Ganz sicher. Ist mit Chris alles in Ordnung?“, fragte ich dann.

Er stockte kurz, bevor er nickte. „Ich hab ihn nicht erreicht und eine Nachricht hinterlassen.“

Da ich ihn nicht bedrängen wollte, mir etwas zu erzählen, was er nicht wollte, erwiderte ich nichts.

Einen Moment lang herrschte Stille zwischen uns und ich fühlte, wie Eric nach meiner Hand griff und sanft mit dem Daumen über meine Haut strich. Die zärtliche Berührung ließ mich erschauern und war genau das, wonach ich mich jetzt sehnte. Ich wollte ihm nahe sein und diese seltsame Distanz zwischen uns endlich wieder verschwinden lassen. Ohne etwas zu sagen setzte ich mich auf dem Sofa auf und blickte ihm direkt in die Augen. Dann griff ich zum Saum meines T-Shirts und zog es mir in einer langsamen Bewegung über den Kopf. Die Sonnenstrahlen fielen schräg ins Zimmer und beleuchteten Erics Züge, der mich betrachtete, als hätte er nie im Leben etwas Schöneres gesehen.

Sein Blick war so intensiv, dass ich eine Gänsehaut bekam und im nächsten Moment umfing er mein Gesicht mit beiden Händen und küsste mich hungrig. Seine Leidenschaft sprang innerhalb eines Atemzugs auf mich über und ich schlang meine Arme um seinen Hals, während er mich mit einem leisen Keuchen an sich zog. Seine Bewegungen wirkten so verzweifelt, dass ich mich schon wieder fragte, was mit ihm los war, doch dann glitten seine Hände über meine Haut und ich vergaß jeden Gedanken, während ich mich ganz seinen Berührungen hingab.

 

„Es war eine großartige Idee von dir, hierherzukommen“, murmelte ich schläfrig, als wir ein wenig später aneinandergekuschelt auf dem weichen Teppich vor dem Kamin lagen. Eric hatte seinen Arm um mich geschlungen und ich genoss das Gefühl seines warmen Körpers direkt neben meinem, bei dem ich mich absolut sicher und geborgen fühlte.

„Es war eine großartige Idee, dein T-Shirt auszuziehen“, erwiderte er trocken und drückte mir einen Kuss auf die nackte Schulter. Ich musste lachen und drehte mich herum, um ihm in die Augen zu sehen. Nach wie vor hatte ich das Gefühl, einen Schatten darin zu erkennen, doch es war schon dunkel geworden und ich war mir nicht sicher, ob ich es mir nicht einfach einbildete.

„Ist irgendetwas, Eric?“, fragte ich dennoch. „Ich habe das Gefühl …“

In diesem Moment klingelte sein Handy und ich fuhr bei dem lauten Klingelton zusammen. Er wälzte sich herum und griff nach dem Telefon, das mit seinen Klamotten am Boden lag.

„Moment“, murmelte er nach einem Blick auf das Display. „Da muss ich rangehen.“

11 thoughts on “Esther – 67

  1. Irgendwie ist kommt es mir so vor, dass ihr die letzten paar Episoden darauf verwendet mit recht vielen Worten gar nichts zu sagen, schade. Anfänglich war der blogroman wirklich gut nun wird er lahm ?

    1. Da muss ich dir leider teilweise zustimmen, aber ich hoffe einfach, dass noch schnell ein paar Dinge passieren und es wieder spannend wird ??

  2. Also, ich bin total gespannt, wie es weitergeht und wann Eric endlich gesteht!! Der muss es doch jetzt endlich mal rauslassen … danke, dass ihr den Blogroman überhaupt für uns schreibt, das ist echt mega!

  3. Hey, leider gehöre ich auch zu den Ungeduldigen??Ihr haltet die Spannung ganz schön straff gespannt! Trotzdem einen tosenden Applaus dafür, dass Ihr uns mit diesem herzzerreißenden Blogroman wöchentlich füttert. Bitte, bitte hört ja nicht damit auf !!!!!!?

    1. Ich möchte auch gerne wissen wie es weiter geht! Was mich aber auch interessiert ist wie Esther überhaupt stirbt (wenn sie in diesem Blogroman überhaupt noch stirbt; nicht böse gemeint ;D)

      1. Dies ist eine alternative Version von den beiden. Also wie es hätte werden können wenn sie nicht gestoben wäre… laut Buch ist sie ja schon längst beim Autounfall gestorben.

        1. Danke, Denise, dass du die Frage schon beantwortet hast! Es ist genau so, wie du sagst … deshalb haben wir unseren Blogroman auch „Eric und Esther – was wäre, wenn …“ genannt 🙂
          Viele Grüße, Ulli & Carmen

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