Esther – 82

Esther – 82

Ich konnte fast nichts sehen. Von draußen hörte ich aufgeregte Stimmen, und die Blitzlichter stachen mir grell in die Augen. Zusätzlich drangen enthusiastische Knipsgeräusche an mein Ohr und Eric drückte meine Hand und sah mich intensiv an.

Zum Glück war er hier, zum Glück hielt er mich fest.

„Bereit?“, fragte er mit seiner tiefen Stimme und ich nickte nur, während mein Körper eigentlich Nein schreien wollte. Aber dafür war es zu spät.

Die Aufregung machte sich schlagartig noch stärker in mir breit und ich spürte, wie mein Herz immer schneller schlug. Simon drehte sich zu uns nach hinten und grinste breit. „Das wird ein grandioser Abend!“, behauptete er und so wie er es sagte, klang er vollkommen überzeugt.

Im nächsten Moment wurde die Seitentüren des Oldtimers geöffnet und die Knipsgeräusche und die Rufe wurden lauter. Eric nickte mir zu, und dann ließ er meine Hand los und ich wusste, dass es so sein musste, weil wir sonst nicht beide elegant aus dem Wagen steigen konnten, aber es fühlte sich an, als würde ich ins kalte Wasser springen müssen. Ich setzte einen Fuß nach draußen und versuchte mich von dem Blitzlichtgewitter der Fotografen nicht irritieren zu lassen.

Dann löste ich mich von meinem Ledersitz und machte den Schritt ins Freie. Vor mir lag ein langer roter Teppich, der einige Meter entlang zu dem Eingang des Filmpalasts führte. Neben den seitlichen Absperrkordeln, die an goldenen Absperrpfosten fixiert waren, drängten sich Dutzende Fotografen und Filmteams, die versuchten, die besten Bilder von den geladenen Gästen zu ergattern. Aber sie waren nicht die Einzigen hier, neben ihnen standen und hüpften Frauen, die plötzlich zu kreischen anfingen.

Ich atmete tief durch, fühlte mich wackelig und unsicher, und wusste natürlich, wem das Gekreische galt. Und dann fühlte ich seine Finger um meine, wie sie sich mit einer Sicherheit und Selbstverständlichkeit mit meinen verschränkten, als ob es für immer so sein müsste. Erleichterung machte sich in mir breit und Eric beugte sich an mein Ohr. „Ist es okay?“, fragte er rau.

Ich nickte nur und sah Simon und Flo neben uns, die den Rummel sichtlich genossen. Der Wagen wurde von einem Mann mit Smoking weggefahren und Flo strahlte übers ganze Gesicht. Sie hakte sich bei Simon ein, als ob sie ihn schon ewig kennen würde, während er sich super professionell gab und in jede Kamera zu lächeln schien.

„Eric! Nur kurz!“ – „Eric, nur ein Foto!“ – „Eric, ich will ein Kind von dir!“, schrien die Leute und winkten ihm erwartungsvoll entgegen. Es waren unglaublich viele und mir wurde wieder einmal bewusst, wie ungemein populär Eric war.

„Geh ruhig hin“, sagte ich und versuchte, so entspannt wie möglich zu klingen.

„Ich bleibe bei dir“, entgegnete er und ich schüttelte den Kopf. Er sollte nicht hier meinen Babysitter spielen. „Sie sind wegen dir gekommen“, erklärte ich, „du solltest ihnen etwas von dir geben.“

Er beugte sich zu mir. „Aber ich will nur dir etwas geben“, sagte er und klang dabei so sexy, das ich das Drumherum beinahe vergaß. Aber nur beinahe, denn im nächsten Moment brüllte ein Journalist: „Ist das deine Cousine?“

Eric ballte seine Hand zur Faust und ich legte ihm sanft meine Finger auf den Oberarm. „Es geht um den Film, es geht hier nicht um mich.“

Er schnaubte und seine blauen Augen sahen mich intensiv an. „Es geht doch immer um dich.“

Ich lächelte und dann gingen wir den roten Teppich entlang. Simon und Eric beantworteten Fragen und ich war froh, Flo bei mir zu haben, die die ganze Aufmerksamkeit in vollen Zügen genoss und versuchte, auf möglichst vielen Bildern abgelichtet zu werden.

„Das ist so … wow. Das ist einfach nur wow“, flüsterte sie mir zu und lächelte dabei unbewegt. Wir blieben hinter Eric, dem im Grunde das ganze Interesse galt. Selbst als der nächste Wagen vor den roten Teppich rollte, konzentrierte sich das Augenmerk weiterhin auf Eric, der in seinem dunklen Outfit wiedermal einfach nur großartig aussah.

Auf dem Weg zum Filmpalast unterschrieb er auf dutzenden Autogrammkarten und beantwortete ab und zu die Frage eines Journalisten. Ich sah ihm an, dass er es tat, weil er es tun musste, aber die anderen schien Erics abwehrende Art nur noch weiter in seinen Bann zu ziehen. Wahrscheinlich gehörte das irgendwie zum Image eines echten Rockstars.

Irgendwann erreichten wir langsam den Eingang des Filmpalasts. Eric griff nach meiner Hand und zog mich zu sich. „Zufrieden?“, raunte er mir ins Ohr.

„Das hast du großartig gemacht“, sagte ich.

Er zog mich noch ein Stück näher an sich heran und küsste mich auf den Hals. „Auch wenn ich mit meinen Gedanken woanders war?“, fragte er.

„Wo warst du denn?“, fragte ich zurück, als wir durch den bogenförmigen Eingang die Treppe nach oben gingen.

Eric grinste. „Ich konnte die ganze Zeit nur daran denken“, flüsterte er, „dass wir beide gleich eineinhalb Stunden in einem dunklen Raum verbringen.“

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