Esther – 88

Esther – 88

Das Klopfen wurde immer lauter.

„Welcher Arsch ist das“, brummte Eric und ging zu Tür, um sie mit einer heftigen Bewegung aufzureißen.

Ich hörte lautes Mädchengekreische und sprang sofort auf, um mir etwas überzuziehen. Dann hörte ich Eric, dessen Stimme in dem Gekreische beinahe unterging und der einen Augenblick später die Tür wieder schloss.

„So ein Scheiß“, knurrte er und schnappte sich das Telefon. Ein paar Sekunden später sprach er mit der Hotelleitung, die sich vielmals dafür entschuldigte, die Mädchen nicht gestoppt zu haben.

„Passiert dir das öfters?“, wollte ich wissen, als ich mir das Abendkleid von gestern überzog.

„Elegant“, kommentierte Eric. „Und verdammt sexy.“

Ich verdrehte nur die Augen und setzte mich an den gläsernen Esstisch. Dann schnappte ich mir einen Burger aus der braunen Tüte, die Eric von Harry bekommen hatte, und biss ab.

„Kalt sind die auch noch lecker“, sagte ich und bei dem Gedanken an Harry kam ein wohlig-warmes Gefühl über mich. Es war so schön gewesen, jemanden aus Erics Vergangenheit kennenzulernen, den er nicht verteufelte.

Kurz dachte ich an die Begegnung mit seiner Mutter, und wie sehr ihn das sicherlich noch immer beschäftigte. Und auch wenn ich gerne mit ihm darüber gesprochen hätte, auch wenn ich gerne gehört hätte, wie es ihm ging, wollte ich ihn nicht überrumpeln. Ich hatte das Gefühl, dass er hier zuerst einiges für sich selbst sortieren musste und dass es nicht gut war, ihn zu überfahren.

Er würde sich mir anvertrauen, wenn er soweit war.

Was hatte Harry gesagt? Lass dich nicht von seinen Dämonen vertreiben, sie werden es versuchen, aber lass das nicht zu, Mädchen. Immer wieder blitzte etwas in Eric auf, in seinem Gesicht, in seiner Gestik – etwas, das ich nicht kannte und das aus einer anderen Zeit zu kommen schien. Die Gedanken an seine Kindheit zerrissen mir das Herz und ich sah wieder den Jungen, der so gut malen konnte, gebeutelt vom Leben und hungrig, hungrig, etwas anderes kennenzulernen.

„Sie scheinen dir wirklich zu schmecken“, bemerkte Eric nüchtern und goss sich ein Glas Wasser ein, das er in gierigen Schlucken trank.

„Das tun sie“, erwiderte ich und hatte kurz das Gefühl, dass er mich bei meinen Gedanken ertappt hatte. „Also, passiert dir das öfter?“

Er lehnte sich über den Tisch zu mir und seine Bauchmuskeln spannten sich an. Schnell sah ich ihm ins Gesicht, aber an seinem Lächeln erkannte ich, dass er meinen Blick bemerkt hatte.

„Dass Frauen die Nacht bei mir verbringen und dann über Harrys Burgervorrat herfallen?“, fragte er mit tiefer Stimme.

„Dass irgendwelche Mädels an deiner Tür stehen“, sagte ich und versuchte das aufgeregte Klopfen in meiner Brust zu ignorieren. Eric sollte nicht denken, dass ich ihm komplett erlegen war. Was ich schließlich war, aber das musste er doch nicht wissen.

„Ab und an“, meinte Eric und richtete sich wieder auf. „Wenn die Security schlampt.“

„Und was wollen sie dann?“

Eric ging durch das Zimmer, öffnete einen dezenten Wandschrank und zog sich ein schwarzes T-Shirt an. Womit er ruhig noch etwas hätte warten können.

„Mich“, beantwortete er meine Frage.

„Dich? Aha“, sagte ich und biss nochmal von Harrys Burger ab.

„Mich oder das, was sie glauben von mir zu kennen“, fuhr Eric fort und strich sich durch seine dunklen Haare.

„Und was glauben sie von dir zu kennen?“

„Den abgefuckten Rockstar. Sie stehen draußen, hoffen, dass ich eine von ihnen mit rein nehme.“

Ich wischte mir den Mund mit einer Serviette ab. „Was du nicht tust“, sagte ich und lächelte.

Eric sah mich an, seine Miene schien seltsam ernst. „Zumindest nicht mehr.“

„Das heißt, du hast schon mal eine von draußen mit rein genommen?“, fragte ich und bereute meine Frage sofort. Denn ich kam mir damit total naiv vor. Wie so ein blödes Landei, dem man erklären musste, wie die Welt funktionierte. Das unerfahrene Mädchen, das selbst nach der Sache in Vegas noch hoffte, dass Eric keine Mädchen mit in sein Hotelzimmer nahm. Und wenn doch, dann würde er sie gleich heiraten. Um danach mit einem weißen Pferd in den Sonnenuntergang zu reiten.

„Esther“, setzt Eric an und ich war mir nicht sicher, ob ich das, was er gleich sagen würde, überhaupt hören wollte.

3 thoughts on “Esther – 88

  1. Mal ehrlich, hat Esther wirklich gedacht sowas wäre bei Eric nie gelaufen? Dann ist sie aber sehr naiv. Aber wichtig ist doch nur, dass es nicht mehr passiert, jetzt wo sie mit ihm zusammen ist.☺

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