Esther – 91

Esther – 91

„Ein echter Wettkampf?“, fragte ich und trank von meinem Chai. Flo grinste übers ganze Gesicht.

„Ja, ein echter Wettkampf“, bestätigte sie. „Du warst ja nicht mehr da, um das Ganze mitzuerleben, aber die Jungs haben sich wirklich ins Zeug gelegt.“

„Und wie?“

Sie lehnte sich auf dem dunklen Fauteuil zurück und schien ihre Erklärungen sichtlich zu genießen. „Zuerst fing alles ganz harmlos an, da warst du ja dabei. Und dann habe ich mit Simon getanzt, es war auch ganz lustig. Er ist echt nett und kennt unglaublich viele Leute.“

„Und wie kommt hier Chris ins Spiel?“, fragte ich und dachte an Erics Cousin, der mir gleich von Anfang an sympathisch gewesen war.

„Simon hat noch mit irgendwelchen superwichtigen Leuten gequatscht und dann habe ich mir etwas zum Essen geholt. Und mich wirklich total nett mit Chris unterhalten. Er ist so anders als Eric.“

Ich hielt kurz inne.

„Also“, erklärte sie schnell, „das soll jetzt nicht heißen, dass ich Eric nicht toll finde, du weißt ja, wie sehr ich auf seine Band stehe, aber er ist wohl eher der zurückhaltende Typ. Also nicht schüchtern, aber doch irgendwie verschlossen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Und Chris ist irgendwie ganz anders, gut sie sind ja auch keine Brüder, sondern nur Cousins. Aber er ist so herzlich.“

Ich nickte und dachte daran, dass Chris’ Kindheit sicher ganz anders abgelaufen war, als die von Eric. Automatisch wanderten meine Gedanken wieder zu seiner Mutter und zu Zoe, die sich sicher noch immer sehnlichst wünschten, dass Eric sich untersuchen ließ.

„Aber die Wahl zwischen den beiden ist trotzdem nicht einfach“, plapperte Flo weiter. „Chris, Simon? Simon, Chris? Aber wie gesagt, ich muss sie ja nicht sofort treffen. Ich werde einfach beide daten, möge der Bessere gewinnen!“

Ich lachte. „Du scheinst auf einer Mission zu sein.“

Flo nickte. „Ja, irgendwie schon. Ich meine, die zwei stehen einfach schon mehr im Leben als die Jungs, die wir auf der Uni so treffen. Und die letzten Jungs waren auch wirklich das Letzte … erinnere dich nur an Hank.“

„An den will ich mich nicht erinnern“, sagte ich schmunzelnd.

„Also ich will mich nur an den Sex mit ihm erinnern“, bemerkte Flo und zwinkerte mir zu.

Ich hob die Hände schützend vors Gesicht. „Nein, daran will ich auch nicht denken.“

Flo lachte und dann unterhielten wir uns über Jungs, die Uni und Gott und die Welt, als Flo plötzlich innehielt.

„Komisch, die zwei Mädchen da schauen dauernd zu uns rüber“, sagte sie und deutete auf zwei junge Mädels, nicht älter als fünfzehn, die immer wieder in eine Zeitschrift guckten und dann zu uns herüberschielten.

„Keine Ahnung, was das soll“, sagte ich und wollte den Grund eigentlich gar nicht wissen. Es war mir unangenehm und ich konnte mir schon vorstellen, womit es zu tun hatte. Wahrscheinlich mit Eric.

„Ich sehe einmal nach“, bemerkte Flo entschlossen und stand auf.

„Nein“, entgegnete ich kopfschüttelnd. „Lass sie doch.“

„Sicher nicht“, sagte Flo und straffte die Schultern. „Das geht einfach nicht, so etwas ist total unangenehm und blöd. Wenn sie schon tuscheln, sollten wir wenigstens wissen, worum es geht.“

„Aber ich will es gar nicht wissen …“, setzte ich an, doch Flo war nicht mehr zu bremsen.

„Wir erfahren es jetzt oder eben später. Also besser jetzt“, sagte sie und war schon unterwegs zu den Mädchen. Ich wollte gar nicht hinsehen, und als Flo nach einem kurzen Gespräch mit den Teenagern zu mir zurückkam, hielt sie die Zeitschrift in den Händen.

„Das wirst du nicht mögen“, sagte sie leise und ich rollte mit den Augen.

„Das hätte ich dir schon vorher sagen können.“ Ich runzelte die Stirn und nestelte an meinen Fingern herum. „Ist es sehr schlimm?“

Flo neigte den Kopf. „Na ja, gut ist es nicht. Willst du es sehen oder soll ich einfach die Kioske aufsuchen, und dort alle Zeitschriften verbrennen?“ Sie lächelte mich an. „Ein Wort von dir, und ich tue das sofort.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nicht nötig“, sagte ich. „Zeig es mir einfach.“

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