Esther – 98

Esther – 98

Ich war gedanklich gerade bei Eric und seiner heutigen Untersuchung im Krankenhaus, als Flo anrief.

„Esther, wo bist du?“, stieß sie atemlos hervor, als ich mit der schweren Einkaufstüte in der Hand endlich mein Telefon ans Ohr gefummelt hatte.

„Auf dem Weg nach Hause“, gab ich irritiert zurück. „Was ist denn los?“

„Wie lange brauchst du noch?“, fuhr Flo aufgeregt fort.

„Keine Ahnung, vielleicht fünf Minuten?“, antwortete ich und blieb mit klopfendem Herzen auf der Straße stehen. Dabei musste ich automatisch an Eric und Zoe denken. Konnte es sein, dass bei dem Test irgendwas schiefgegangen war?

Nein, das war absurd, beruhigte ich mich selbst, als Flo schon weitersprach.

„Okay, sehr gut“, jubelte sie. „Wir treffen uns in fünfzehn Minuten bei dir.“ Mit diesen Worten legte sie auf.

Ich nahm das Handy vom Ohr und blickte es einen Moment lang unschlüssig an. Was auch immer der Grund für Flos Anruf gewesen war, es schien zumindest nichts Schlimmes zu sein. Dennoch konnte ich eine gewisse Nervosität nicht unterdrücken, als ich eine Viertelstunde später in meiner Küche stand und die letzten Einkäufe einräumte.

In dem Moment klingelte wieder mein Handy.

„Wir sind jetzt da“, sagte Flo mit einer Stimme, als würden Weihnachten und Ostern auf denselben Tag fallen.

„Worum geht es denn eigentlich?“, fragte ich, während ich die Kühlschranktür schloss.

„Erfährst du gleich“, antwortete Flo. „Also schnapp dir deine Wohnungsschlüssel und komm runter.“

 

Mir war ein wenig flau zumute, als ich kurz darauf die schwere Haustür aufdrückte und Flo neben einem roten Cabrio auf der Straße stehen sah. Sie strahlte mich so überglücklich an, dass ich meinen grummelnden Magen zur Seite schob und mich ganz auf meine Freundin konzentrierte. Und auf Simon, der auf dem Fahrersitz des Cabrios saß und mir zuwinkte.

„Hey. Was ist denn hier los?“, fragte ich und hoffte, dass Flo nicht spontan entschieden hatte, mit Simon nach Vegas durchzubrennen und mich jetzt fragte, ob ich in der Hochzeitskapelle ihre Trauzeugin sein wollte.

„Wir entführen dich“, antwortete Flo und gab meiner Fantasie dadurch noch etwas mehr Futter.

Unbewusst verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Und wohin?“

„Das ist eine Überraschung“, bemerkte Simon mit einem geheimnisvollen Lächeln.

Ich kniff die Augen zusammen und wandte mich an Flo. „Diese Überraschung hat aber nichts mit einem weißen Kleid und einem Schleier zu tun, oder?“, fragte ich mit gesenkter Stimme.

Sie sah mich einen Moment lang verdutzt an, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrach. „Also ehrlich, Esther, für so durchgeknallt hältst du mich?“ Noch bevor ich antworten konnte, fuhr sie fort. „Ich würde doch nicht heiraten, wenn ich am selben Abend mit dir, Simon und allen Jungs von NEBEN zu den Best Global Music Awards gehen kann.“ Gutgelaunt hakte sie sich bei mir unter und dirigierte mich zum Wagen. „Und damit wir dort alle anderen Frauen überstrahlen, lädt Simon uns in den schicksten Beauty-Salon der ganzen Stadt ein.“

 

Flo hatte nicht untertrieben. Der Schönheitstempel, in den uns Simon brachte, war an Luxus kaum zu überbieten, und obwohl mein Magen noch immer etwas verstimmt zu sein schien, fühlte ich mich nach drei vollen Stunden mit Gesichtsbehandlung, Massage, Waxing und Maniküre sowie Pediküre wie neugeboren.

„Ihr seht überaus zufrieden aus“, ließ sich Simon vernehmen, nachdem Flo und ich der freundlich lächelnden Kosmetikerin wieder zurück in den weißen Eingangsbereich gefolgt waren, vorbei an einem sanft plätschernden Springbrunnen und unter einem kristallenen Lüster hindurch, der ungefähr so groß wie mein komplettes Wohnzimmer war. Mein ganzer Körper duftete nach dem kostbaren Massageöl, mit dem ich verwöhnt worden war, und ich war so tiefenentspannt, dass ich mich am liebsten in ein Bett gelegt und eine Runde geschlafen hätte.

„Ich fühle mich auch fantastisch“, sagte Flo in dem Moment und streckte sich wie eine Katze. „Kommt jetzt der Teil von Esthers Überraschung, über den wir vorher gesprochen haben?“, fragte sie dann und ihre Augen begannen zu glitzern.

Simon lächelte uns breit an und machte eine einladende Handbewegung zu einer schlichten weißen Tür, die neben einer beleuchteten Wasserwand aus Glas zu finden war.

„Genau dieser Teil kommt jetzt“, erwiderte er an uns beide gewandt. „Folgt mir, Ladys.“

 

 

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