Eric – 140

Eric – 140

„Alles okay mit dir, Mann?“ Chris blickte mich stirnrunzelnd an, während die Jukebox eine Pause machte, bevor das nächste Lied begann.

„Willst du mein Trauzeuge werden?“, platzte es in der kurzen Stille aus mir raus.

Verdammt. Das war nicht viel besser gewesen als mein Heiratsantrag bei Esther. Ich musste echt cooler werden, wenn ich nicht als der lächerlichste Rockstar aller Zeiten in die Geschichte eingehen wollte.

Chris sah mich einen Moment lang überrascht an, bevor sich ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. „Denkst du, ich hätte jemand anderen diese Aufgabe übernehmen lassen?“, fragte er dann. „Klar werde ich dein Trauzeuge!“

Da ich kein sentimentales Gesülze von mir geben wollte, sagte ich gar nichts und stieß mit Chris einfach nur grinsend an.

„Wann ist es denn soweit?“

„Keine Ahnung. Esthers Eltern haben uns so einen übermotivierten Hochzeitsplaner aufs Auge gedrückt, der ziemlichen Druck macht. Aber bei der ganzen Scheiße, die derzeit durch die Medien geistert, hab ich es gerade nicht besonders eilig.“

„Was ist denn dran an der Sache?“, fragte Chris unaufgeregt und sah mir direkt in die Augen.

Ich schnaubte und fuhr mit dem Daumen die dreckigen Kerben im Holztisch nach. „Nichts. Ich hab die Zeile nicht geklaut. Trotzdem sieht es so aus.“

„Und was sagt euer Anwalt?“

Bei dem Gedanken an den Anwaltstermin, bei dem sich Noah gnädig hatte blicken lassen, stieg mir gleich wieder die Galle hoch. „Er hat versucht, uns zu einem Vergleich zu überreden. Aber ich sehe nicht ein, dem Arsch Geld in den Rachen zu werfen, nur weil er zufällig dieselben Wörter aneinandergereiht hat, wie ich.“

Chris zog die Augenbrauen ein wenig zusammen und schwieg.

„Was?“, fuhr ich ihn an.

Er zuckte mit den Schultern. „Gar nichts. Ich dachte nur eben, dass du es vielleicht tun solltest.“

„Ich hab den Text aber nicht geklaut“, fauchte ich.

„Das ist mir klar. Aber darum geht’s auch nicht, oder?“

Allmählich ging mir Chris wieder genauso auf den Sack wie sonst auch. „Worum geht es denn dann?“, fragte ich unfreundlich.

Chris lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „So wie ich das sehe, steht euer Ruf auf dem Spiel. Bei der ganzen Negativ-Publicity würde ich mir überlegen, ob es nicht Sinn macht, die Sache einfach aus der Welt zu schaffen. Das Einzige, was dir meines Erachtens dafür im Weg steht, bist du selbst und dein riesengroßes Ego.“

„Danke für die Stunde beim Seelenklempner“, murrte ich. Dabei war mir in einem beschissenen Winkel meiner Psyche klar, dass Chris recht hatte. Ich sollte diese Plagiatsscheiße einfach hinter mir lassen, schließlich gab es noch genug andere Baustellen in meinem Leben. Trotzdem wehrte sich meine abgefuckte Seele dagegen, mich von der Anklage freizukaufen, obwohl ich nichts falsch gemacht hatte. Ich mochte vieles sein, aber ich war mit Sicherheit kein dreckiger Dieb.

„Die Menschen, die dir was bedeuten, kennen die Wahrheit“, sagte Chris beschwörend. „Die Band ist dein Leben, Eric. Was willst du denn machen, wenn euch der ganze Erfolg wegen dieser Sache wegbricht?“

„Ich hab immer schon gern gemalt“, gab ich trocken zurück.

„Aber wir wissen beide, dass du lieber auf einer Bühne als vor einer Leinwand stehst.“

Und schon wieder hatte der Dreckskerl recht. Ich seufzte und hatte keine Lust mehr auf das Gespräch.

„Du wirst schon das Richtige tun“, sagte Chris in dem Moment.

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, murmelte ich. „Denn unser beschissener Manager ist auf die glorreiche Idee gekommen, uns zu einem Termin mit einem Mediator zu verdonnern, um die Spannungen in der Gruppe aufzulösen. Und obwohl er Gruppe gesagt hat, meinte er damit eindeutig die Spannungen zwischen Aron und mir.“

Bei der Erwähnung von Aron verfinsterte sich Chris‘ Miene merklich. Dennoch bemühte er sich um eine neutrale Reaktion. „Mediatoren machen oft gute Jobs. Lass dich darauf ein, vielleicht kommt ja was Gutes dabei raus.“ Er sah mich eindringlich an. „Sonst noch was?“

Ich seufzte. „Zoe hat beschlossen, dass sie lieber bei mir wohnen möchte und hat ihren gesamten Kleiderschrank in die Hotelsuite verfrachtet. Aktuell stapeln sich ihre Klamotten überall, vor allem auf dem Fußboden.“

Chris verbiss sich ein Schmunzeln und gab der Kellnerin ein Zeichen, dass er gern noch ein Bier hätte. „War’s das jetzt?“, fragte er dann.

„Fast“, erwiderte ich. „Denn bisher habe ich Esther noch nicht erzählt, dass die Anwaltskanzlei, die uns wegen der Plagiatsvorwürfe verklagt, genau dieselbe ist, bei der sie ein Praktikum angeboten bekommen hat.“

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