Eric – 143

Eric – 143

„Ihr braucht mehr Security.“ Chris Feststellung brachte die Misere auf den Punkt.

„Das ist mir klar“, entgegnete ich, während ich mit ihm an den wuchtigen Schaukästen des Juweliers entlangging. Auf dunkelblauem Samt funkelten und strahlten die unzähligen Verlobungs- und Eheringe um die Wette. „Allerdings war es schon schwierig, Esther von Jackson zu überzeugen.“

Chris blieb vor einem scheußlichen Ring stehen, der so klobig wirkte, dass er sich gut an der Hand eines Profi-Wrestlers gemacht hätte. „Du musst daran denken, dass die Natur auf deiner Seite ist, Mann.“

„Wie meinst du das?“

Chris verzog beim Anblick des Profi-Wrestling-Ungetüms, den man auch gut als Schlagring hätte verwenden können, das Gesicht. „Esther ist schwanger“, fuhr er dann an mich gewandt fort.

„Echt? Hab ich noch gar nicht mitgekriegt.“

Er lächelte kurz. „Die Schwangerschaft verschiebt ihre Prioritäten. Wenn Esther erst Mutter ist, wird ihr oberstes Ziel darin bestehen, das Baby zu beschützen. Wahrscheinlich könntest du dann ein ganzes Heer an Bodyguards einstellen und sie würde sich mit Vergnügen die Kerle rauspicken, die am Brutalsten aussehen.“

Das passte zwar nicht zu Esther, trotzdem war an Chris‘ Worte was dran.

„Irgendwas müssen wir jedenfalls tun“, sagte ich. „Diese Stadt ist ein verdammter Hexenkessel. Mit Jackson allein können wir nicht hierbleiben.“

Chris nickte und ging zu einem Ring weiter, der aussah, als ob er direkt aus den Herr-der-Ringe-Filmen stammen würde. Etwas zu elfisch für meinen Geschmack.

„Überlegst du, wegzugehen?“

Seine Worte holten mich wieder zu dem anstehenden Problem zurück. Ich räusperte mich. „Der Gedanke ist mir tatsächlich schon gekommen.“

Chris hob eine Augenbraue. „Und weiß Esther schon davon?“

Ich schüttelte den Kopf. Die Wahrheit war, dass ich Schlappschwanz mich bisher nicht getraut hatte, meine Überlegungen bei ihr zur Sprache zu bringen. „Esther ist hier in der Nähe aufgewachsen. Ihre Eltern leben nur ein paar Autostunden entfernt. Ich glaube nicht, dass sie Lust hat, mit mir den Kontinent zu wechseln.“

„Und was ist mit Zoe?“, fragte Chris weiter. „Würdet ihr sie mitnehmen?“

Seufzend blieb ich vor einem Schaukasten stehen, dessen Modelle nicht ganz so schrecklich waren. „Keine Ahnung.“ Die Situation mit Zoe war auch so eine Sache, über die ich nicht gern nachdachte. Unsere Mutter hatte sich überraschenderweise nicht quergestellt, als meine Schwester mit Sack und Pack vor meiner Tür gestanden hatte. Tatsächlich hatte sie Zoe sogar an einer nahegelegenen Schule angemeldet. Bisher hatte ich es erfolgreich vermieden, über ihre Beweggründe nachzudenken – und ich hatte nicht vor, jetzt damit anzufangen.

„Zoe ist fast erwachsen. Sie wird bald auf eigenen Beinen stehen.“

„Zoe ist sechzehn“, widersprach Chris. „Sie ist noch lange nicht soweit, auf eigenen Beinen zu stehen. Außerdem sind du und Esther gerade so ziemlich die einzigen Menschen, denen sie vertraut.“

„Ich weiß, verdammt.“ Frustriert starrte ich auf einen filigranen Goldring, von dem eine anmutige Eleganz ausging, die mich an Esther erinnerte. „Ich habe Zoe schon gesagt, dass ich nicht ewig mit ihr in einem Hotel wohnen kann.“

„Und?“

„Sie meinte nur, es sei ihr ganz egal, wo wir wohnen – Hauptsache, sie müsse nicht zurück.“

Chris atmete lange aus. „Spricht sie gar nicht mehr mit eurer Mutter?“

Ich schüttelte den Kopf. Dabei starrte ich den Ring an, der wie für Esther gemacht zu sein schien. Doch obwohl alles an dem Ring ihren Namen schrie, konnte ich mir gerade nicht vorstellen, ihn ihr in wenigen Wochen an den Finger zu stecken. Zu heiraten fühlte sich gerade verdammt groß und irgendwie seltsam an. Als würde ich einen vernünftigen Erwachsenen spielen, während mein ganzes Leben den Bach runterging.

„Und wie ist es mit dir?“, fuhr Chris nach einer kurzen Pause fort. „Wirst du deiner Mutter erlauben, zu eurer Hochzeit zu kommen?“

Ich ballte unbewusst die rechte Hand zu einer Faust. „Meine Mutter will ich nicht mal an einem normalen Tag sehen. Dann schon gar nicht bei meiner Hochzeit.“

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