Eric – vier

Eric – vier

„War’s das dann?“, fragte ich, stand von dem unbequemen Designerstuhl auf und mein Manager mit seiner scheiß Nachmacherfrisur schüttelte verblüfft den Kopf.

„Du bist doch gerade erst gekommen, Eric. Wir müssen über einiges sprechen.“

„Fühlt sich nicht so an.“

„Okay, okay – ganz wie du willst.“ Alex sprang auf und strich sich den grauen Designeranzug glatt. „Dann maile ich dir und den Jungs die Liste mit den Promoterminen für nächste Woche. Heute Nachmittag hast du ein Home-Interview mit diesem Typen von Success, der ist vielleicht nicht so dein Fall, aber er hat eine Menge Einfluss.“

Ich schnaubte durch die Nase. „Na toll.“

Alex verzog keine Miene. „Er hat Einfluss“, wiederholte er ruhig. „Bands kommen und gehen, Eric, ich will nur das Beste für dich.“

Ich lachte hart auf. „Aha. Und ich dachte, du willst nur das Beste für dich.“

***

„Coole Einrichtung“, sagte der Typ von Success und blickte sich anerkennend in der Suite um. Seine Haare waren zu blond, sein Teint zu stark gebräunt und seine Haut zu glatt. Er sah aus wie eine verdammte Wachsfigur aus einem Gruselkabinett.

„Gehört dem Hotel“, erwiderte ich und zündete mir eine Zigarette an.

„Aber das Tattoo ist schon deins“, sagte er und nickte mit dem Kinn in Richtung meines offenen Hemdes.

Ich lächelte müde.

„Was bedeutet es?“, fragte er weiter und beugte sich interessiert nach vorne.

„Nichts“, erwiderte ich. „Ist nur ein Bild von einem Raben.“

„Sieht aber so aus, als würde es was bedeuten“, beharrte er. „Ganz schön sexy, wenn du mich fragst.“

Ich grunzte unwirsch und schaute auf die Uhr.

„Du bist ein ziemlich geheimnisvoller Typ“, sagte der gelackte Reporter. „Die Leute wollen mehr über den Mann hinter der Legende erfahren. Wo bist du großgeworden? Wie bist du aufgewachsen? Wie war deine Zeit im Heim?“

„Darüber rede ich nicht“, sagte ich kalt und drückte die Zigarette aus.

„Aber es ist ein Teil deiner Geschichte, Mann. Du bist ne Inspiration für Tausende von Menschen. Die wollen mehr über dich wissen.“

„Bullshit“, erwiderte ich.

„Doch, doch“, sagte er und machte eine kurze Pause. „Die Leute wollen wissen, woher du kommst. Wer warst du vor deinem Erfolg? Woher kommt die Sehnsucht in deinen Texten? Was genau machte den kleinen Eric so traurig?“

Ich stand abrupt auf. „Willst du jetzt noch das Interview oder willst du mich weiter mit dieser Scheiße löchern?“

„Hey, bleib cool, Mann.“ Der Typ hob beschwichtigend die Hände.

„Hier geht’s nicht um meine scheiß Kindheit.“

„Okay, okay. Dann lass uns über deine Musik sprechen, wenn dir das lieber ist.“ Er schlug die Beine übereinander. „In einigen deiner neuen Songs erzählst du von der Liebe, von dem Unglück der Liebe. Gibt es derzeit eine Frau in deinem Leben?“

„Nein“, erwiderte ich und ging zur Bar. Alex hatte mir eingeschärft, während des Interviews nichts zu trinken, aber es war mir egal, ich braucht etwas, jetzt sofort. Anders hielt ich den Typen nicht aus.

„Verstehe. In den Medien wird oft spekuliert, dass du schwul bist“, meinte er mit einem herausfordernden Lächeln.“

„Interessant“, erwiderte ich gleichgültig und nahm einen Schluck von meinem Whiskey. Am liebsten hätte ich die ganze Flasche in einem Zug leer gemacht.

„Krieg ich auch so einen?“, fragte er, stand auf und stellte sich neben mich. Ich rümpfte die Nase, der Typ war genauso aufdringlich, wie sein Parfum.

„Bedien dich“, murrte ich und brachte etwas Abstand zwischen uns.

„Klar, kein Problem.“ Er nahm ein sauberes Glas, schenkte sich ein und hob es langsam an seine Lippen, bevor er daran nippte. Dabei fixierte er mich auf eine Art, die den Wunsch in mir weckte, ihm einfach nur in die Fresse zu schlagen.

„Es heißt, dass du schon ganz unten warst“, fuhr er im Plauderton fort. „Wie fühlt sich das an, wenn man plötzlich ganz oben ist?“

„Super“, sagte ich.

„Viele Künstler setzen ihre Popularität dafür ein, Gutes zu tun. Engagierst du dich auch in dieser Richtung? Vielleicht gegen Gewalt an Frauen?“ Er grinste mich unschuldig an.

„Ich denke, wir sind hier fertig“, sagte ich.

Er sah auf die Uhr. „Moment. Dein Manager hat gesagt, ich hätte eine Stunde.“

Ich blickte ihn emotionslos an. „Ist eben abgelaufen.“

3 thoughts on “Eric – vier

  1. oh je, ich glaube mir gefällt Eric ganz gut. Obwohl er so chaotisch ist, hat er eine sehr verletzte Seele. Und – er ist eigentlich sehr einsam. Passt gut zu mir, da ich solchen Menschen immer helfen möchte. Bin kein Psychologe oder ähnliches arbeite aaber in einem Bereich wo es um junge Menschen mit schwierigen Problemlagen geht. Meine Arbeit füllt mich daher gut aus.

  2. Liebe Carmencitha,
    da hast Du vollkommen recht, er ist nicht so oberflächlich, wie es auf den ersten Blick scheint! Daher lohnt sich bei Menschen auch immer ein zweiter Blick 🙂 Deine Arbeit hört sich sehr spannend an und es ist schön, dass sie dich erfüllt 🙂
    Viele Grüße, Carmen & Ulli

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