Eric – vierzehn

Eric – vierzehn

Mein Puls raste. Der beschissene Druck auf meinen Lungen nahm zu, während meine Füße liefen, ich musste frische Luft in mich pumpen, jetzt sofort, ich musste dieses Gefühl loswerden, dieses Scheißgefühl, verdammt, ich musste raus hier.

Mein Hals war zu, alles war zu eng und drückte auf mich ein, als ich nach den fünfundvierzig Minuten mit der Bulldogge das Haustor aufriss, als ich schnaufend auf der Straße stand, und auch die da draußen nur starrten, als ich bald nichts mehr sah, außer mich selbst. Ich versuchte zu atmen, versuchte, die Scheißluft in meine Lungen zu pressen, während die Stadt um mich nicht mehr existierte, ich zog den Sauerstoff tief ein, schneller und tiefer, und irgendwann kroch die Luft wie durch ein Nadelöhr hindurch und ich schnappte gierig danach, immer mehr und mehr.

Meine Beine setzten sich in Bewegung, sie gingen einfach los. Ich stopfte mir die Stöpsel in die Ohren, drehte Franky in voller Lautstärke auf und verschwand in der Stadt, die mir viel zu klein vorkam. Franky verschwand mit mir, er wollte auf den Mond und mit den Sternen spielen, und langsam begann auch mein Puls sich zu beruhigen.

Die Kapuze zog ich mir tief ins Gesicht, ich wollte nicht angequatscht oder angefasst werden, aber ich konnte nicht in die Suite, ich konnte nicht mit den Jungs abfeiern, ich konnte keine Menschen sehen, aber ich wollte auch nicht allein sein.

Ich wollte mein Gehirn abschalten, wollte den Gedanken nicht zuhören, ich wollte um keinen Preis dorthin zurück.

Mit schnellen Schritten lief ich an den Hotdog-Ständen vorbei, vorbei an den Typen mit den Aktentaschen und den gehetzten Blicken, vorbei an den dampfenden Bussen und den Frauen mit den hohen Schuhen. Wenn sie mich nicht erkannten, dann blieben sie mir fern, dann beachtete mich keiner, dann war ich nur einer unter vielen, die keine Beachtung verdienten.

Ich rannte durch die Straßen wie ein Verrückter und als ich auf einmal vor dem Park stand, wusste ich nicht, wie ich hierhergekommen war, es mussten ein paar Meilen gewesen sein, die ich kopflos zurückgelegt hatte. Franky sang inzwischen vom Sommerwind und den einsamen Tagen und ich war ihm dankbar für die Lautlosigkeit, die er der Stadt verpasste. Ich sah die Menschen um mich herum, sah die Mütter mit den Kinderwägen und den kreischenden Kids, sah die Läufer und die Picknicker, sah die, die in der Wiese lagen, und merkte, wie sich meine Schritte langsam beruhigten an einem Tag, an dem ich mir einfach nur Stillstand wünschte.

„Hast du eine Zigarette für mich?“, sprach mich ein Penner von der Seite an. Der Penner auf der versifften Parkbank erinnerte mich an den Penner vom letzten Mal, dem ich eine reingehauen hatte, weil er es verdient hatte. Chris hatte daraus eine große Sache gemacht, aber Chris machte aus allem eine große Sache. Auch wenn du auf der Straße lebst, auch wenn dich das Leben so richtig gefickt hat, kannst du dich nicht wie der letzte Arsch aufführen, aber das wollte ich mit Chris nicht besprechen.

Ich schüttelte den Kopf und machte Franky leiser.

„Ein paar Cent?“, fragte der Penner und hielt mir die Hand hin.

Ich nickte stumm, zog einen Schein aus der Hosentasche und ließ sie in die dreckige Pennerhand fallen.

„Ich hab aber kein Wechselgeld“, grinste der Alte durch seine Zahnlücken, er roch ungewaschen und nach Abfall.

„Ist okay“, sagte ich.

„Siehst gar nicht nach Kohle aus“, sagte er und musterte mich von oben bis unten.

„Du auch nicht“, sagte ich.

Der Alte kramte etwas aus einer zusammengeknüllten Zeitung hervor. „Auch mal ein Schluck?“, fragte er und hielt mir eine dreckige Weinflasche hin. „Siehst aus, als könntest du das auch gebrauchen.“

Ich schüttelte den Kopf und ging einfach weiter, Franky begleitete mich, als ich in die Bahn einstieg, als ich umstieg, als mich etwas quer durch die ganze Stadt trieb und ich den Weg kannte, den ich nahm. Ich folgte der Musik, ich folgte den Erinnerungen, während die Nacht über die Stadt hereinbrach und ihr die Helligkeit nahm, während ich ausstieg und die alte Straße hinunterlief, geradeaus, einmal links, dann wieder rechts, und als ich irgendwann genau an dem Ort mit dem spitzen Zaun stand, an den ich vorgehabt hatte, nie mehr zurückzukehren.

3 thoughts on “Eric – vierzehn

  1. Esther und Eric verdienen eigentlich ihre eigenen wunderschönen Bücher in meinem Bücherregal. Ihr verzaubert mich so sehr mit euren Geschichten, dass ich gar nicht abwarten kann, was noch so kommt.
    Ich war von der ersten Seite an verliebt in Ben und seit heute auch in Eric – musste ja passieren!

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