Esther – 108

Esther – 108

„Saure Gurken?“

Flo nickte. „Und Schokolade“, sagte sie stolz und zog eine Riesenpackung Vollmilchschokolade aus ihrer Tüte.

„So schlimm ist es zum Glück noch nicht, ich habe noch keine absurden Heißhungerattacken.“

„Aber das kommt schon noch. Ist dir heute schon übel gewesen?“

Ich zog eine Augenbraue hoch und betrachtete die ganzen Sachen, die nun auf meinem Couchtisch lagen. Salzheringe, Krautsalat, Würstchen, grüner Wackelpudding und Gummibärchen – es war eine wilde Kombination.

Ich lächelte. „Noch nicht. Aber wenn ich das so sehe wird mir langsam wirklich schlecht.“

„Sag das nicht, meine Mutter schwört auf diese Dinge. Sobald sie mit mir schwanger war, hat sie die furchtbarsten Mischungen gegessen.“ Flo schnappte sich zwei Packungen vom Tisch. „Besonders stand sie auf die Kombi Würstchen mit Pudding.“

Ich schüttelte den Kopf. „Das werde ich niemals essen.“

„Das sagst du jetzt – aber warte noch ein paar Wochen. Kann man denn schon etwas sehen?“

Ich schlug ihr spielerisch auf die Schulter. „Das meinst du doch nicht ernst.“

„Natürlich nicht. Aber in ein paar Wochen könnte man dein kleines Bäuchlein schon bemerken. Mal sehen, wie du dich so durch den Vorlesungssaal drückst, die Bänke sind ja ziemlich eng. Vielleicht sollte ich dir so einen mobilen Schwangerschaftsstuhl besorgen, so einen zum Aufklappen, wie diese hässlichen Campingstühle nur eben viel, viel größer …“ Sie grinste breit über beide Ohren und genoss es offensichtlich, mich aufzuziehen. Trotz Flos witziger Art spürte ich, wie die Sorgen wieder Überhand gewannen und mich hinunterzogen. Wie sollte das wirklich mit den Vorlesungen und meinem Studium funktionieren? Würde ich meinen Abschluss überhaupt machen können?

Die Zweifel brachen wie eine Welle über mich herein und ich schnappte nach Luft.

„Was ist los?“, fragte Flo alarmiert und richtete sich auf der Couch auf.

„Es ist nur …“ Die Tränen brachen sturzflutartig aus mir heraus, ich wollte sie stoppen, doch ich hatte es nicht unter Kontrolle.

Flo legte mir ihre Hand auf meinen Arm. „Ach, Esther. Ihr bekommt das schon hin.“

„Werden wir das?“, schluchzte ich und wischte mir die Tränen aus meinem Gesicht. „Ich meine … ein Kind, Flo. Das passt doch überhaupt nicht in mein Leben. Und schon recht nicht in seines.“

„Hey – die ungeplanten Dinge sind doch oft die Schönsten“, erklärte Flo. Es war süß, wie sie versuchte, mich aufzuheitern, aber ihre Worte drangen nicht zu mir durch.

„Wie soll das denn funktionieren … auf der Uni … was ist, wenn mir dauernd schlecht ist … oder was ist, wenn ich unglaublich fett werde und mich Eric dann sitzen lässt.“

Flo zuckte mit den Schultern. „Dann bringe ich ihn einfach um.“ Die Ernsthaftigkeit, mit der sie das sagte, brachte mich zum Lachen.

„Super, dann wirst du meinetwegen zur Mörderin, landest im Gefängnis und ich bin komplett allein.“

Flo schüttelte ihren Kopf so vehement, dass ihre rotblonden Locken nur so durch die Gegend flogen. „Unterschätze mich nicht. Ich würde mir doch nicht selbst die Hände schmutzig machen. Ich würde natürlich so vorgehen, dass mich keiner für den Mord verantwortlich machen kann. Ich meine, er ist Eric Adams. Ein gefeierter Rockstar – so jemand hat auch Feinde.“

„Das hört sich wie aus einer Soap an.“

Flo schnippte mit dem Finger. „Aus einer Soap kann man viele gute Ideen gewinnen, du solltest nicht so abfällig über dieses Fernsehformat sprechen. Wer weiß, ob wir später nicht noch darauf zurückkommen und jemanden aus Erics Familie für seinen tragischen Tod verantwortlich machen.“

Automatisch dachte ich an Zoe und Erics Mutter. „Sag so etwas nicht“, murmelte ich, während mir wieder einmal klar wurde, dass Eric keine guten Vorbilder in punkto Erziehung gehabt hatte.

„Sorry, ich weiß ja, dass sein Verhältnis zu seiner Mutter nicht besonders ist. Weißt du eigentlich irgendetwas von seinem Vater?“

Ich schüttelte den Kopf. „Er spricht eigentlich nie über ihn und ich will ihn auch nicht bedrängen.“

„Aber es wäre schon gut, mehr über ihn zu erfahren – findest du nicht?“, sagte Flo. „Schließlich wird Eric in weniger als neun Monaten auch Vater sein.“

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