Esther – 152

Esther – 152

„Oh-oh“, sagte Zoe grinsend. „Wart ihr wieder mal unartig? Konntet ihr euch nicht zwischen Begonien und Lilien entscheiden? Oder harmoniert der Geschmack eurer Torte nicht mit der Farbe eurer Tischkärtchen?“

„Hör auf“, erwiderte ich schmunzelnd, während ich nach dem Handy griff und den Anruf des Hochzeitsplaners annahm. „Hallo, Sanchez.“

„Esther.“ Er klang erleichtert und verzweifelt gleichermaßen. „Dem Himmel sei dank, dass ich Sie erreiche, ich habe es schon bei Eric versucht, aber er hat natürlich wieder nicht abgehoben …“

„Eric hat einen Gig in New York“, erklärte ich und überging die Anklage in seinen Worten. „Was ist denn los?“

„Eine Katastrophe. Es ist eine Katastrophe“, stieß Sanchez hervor, woraufhin ich mit gerunzelter Stirn mitten im Zimmer stehen blieb.

„Was ist eine Katastrophe?“

„Die Location.“ Sanchez klang so, als stünde er kurz vor einem Nervenzusammenbruch. „Die Scheune, in der Sie und Eric heiraten wollen – sie ist abgebrannt.“

„Abgebrannt?“, wiederholte ich ungläubig und presste das Handy fester an mein Ohr.

„Abgebrannt“, bestätigte unser Hochzeitsplaner voller Verzweiflung. „Und zwar bis auf die Grundmauern.“

 

***

 

„Fuck.“ Eric starrte auf den rauchenden Trümmerhaufen, in dem wir in wenigen Tagen hätten heiraten wollen. „Wie ist das passiert?“

„Ein Blitzschlag“, erklärte unser Hochzeitsplaner mit versteinerter Miene. Er trug ein Klemmbrett unter dem Arm und war unter seiner gebräunten Haut so blass, dass seine Lippen nur wie ein blutleerer Strich wirkten.

„Hatte das Ding denn keinen Blitzableiter?“ Eric tigerte auf der niedergetrampelten Wiese hin und her, die nach den Löscharbeiten der Feuerwehr total zerstört aussah. Ich schlang die Arme um meine Brust und blickte mich um. Alles hier wirkte total zerstört. Die Überreste unserer geplanten Hochzeitslocation ragten wie ein hässliches Gerippe in den bewölkten Himmel. Die schwarz verkohlten Holzbalken, die das Feuer überlebt hatten, erinnerten mich an spitze Knochen und über allem lag der Geruch nach kaltem Rauch und Asche.

„Wie Sie sehen können, hatte es anscheinend keinen.“ Sanchez drückte das Klemmbrett etwas fester an seine Brust. „Oder der Blitzableiter ist seiner Arbeit nur unzulänglich nachgekommen.“ Das klang fast schon so, als ob unser Hochzeitsplaner den Blitzableiter persönlich für den Brand verantwortlich machte. Als wäre er ein Mitarbeiter seines Teams, der versagt hatte.

„Okay.“ Eric kam über die Wiese zurück zu mir und griff nach meiner Hand. „Was machen wir jetzt?“

„Jetzt?“ Sanchez stieß einen bitteren Laut aus. „Jetzt müssen wir uns nach einer neuen Location umsehen.“

„Und wie lange wird das dauern?“

„Wie lange das dauern wird?“ Seine Tonlage wurde eine Oktave höher.

„Wiederholen Sie jetzt jeden meiner verdammten Sätze?“, knurrte Eric und drückte meine Finger ein wenig fester.

„Es gibt doch hier in der Nähe sicher noch andere Möglichkeiten“, warf ich beruhigend ein und versuchte mich an einem zuversichtlichen Lächeln.

Sanchez starrte uns an, als ob wir den Verstand verloren hätten.

„Andere Möglichkeiten? Bei allem nötigen Respekt, Esther, aber haben Sie nicht gesehen, wie lange wir gebraucht haben, um diese Location zu fixieren?“

„Bei allem nötigen Respekt, Sanchez“, mischte sich Eric sofort ein, „vergreifen Sie sich gegenüber meiner Verlobten nicht im Ton.“

Der Hochzeitsplaner presste die Lippen aufeinander. „Sehr wohl. Ich sehe mich gerne nach einem adäquaten Ersatz um. Es wird ja nicht so schwer sein, eine geräumige und gleichzeitig stilechte rustikale Scheune zu finden, die in liebevoller Detailarbeit für Hochzeiten adaptiert wurde und sich im Umkreis von – sagen wir mal – zwanzig Kilometer befindet und nur darauf wartet, dass wir sie mit Leben füllen. Ganz zu schweigen von dem Catering, der Musik, den Tischen, den Gästen und dem Blumenschmuck.“ Seine Worte waren mit jedem Satz beißender geworden. „Der Blumenschmuck!“, stieß er dann hervor. „Ich muss dem Händler noch Bescheid geben, dass die Lieferung gestoppt wird!“

„Moment“, sagte Eric und sah sich auf der weitläufigen Wiese um, die von einem dunkelgrünen Waldstück umschlossen wurde. „Ich habe da noch eine Idee.“

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