Esther – 93

Esther – 93

„Wirklich alles okay mit dir?“, wollte meine Mutter am Telefon wissen. Zum Glück las meine Mutter solche Magazine wie die „GlamSociety!“ nicht und zum Glück war auch das Internet ein Medium, von dem sie noch immer etwas Abstand hielt, als wäre es radioaktiv.

„Alles okay“, antwortete ich und mümmelte mich auf meiner Couch ein. „Wirklich. Es ist nur gerade viel in der Uni los.“

„Wie du das auch alles schaffst“, sagte sie und der Stolz in ihrer Stimme war kaum zu überhören. „Aber du hast schon immer geschafft, was du wolltest. Erinnerst du dich an das Baumhaus? Schon als Mädchen hast du dafür gesorgt, zu bekommen, was du willst.“

Ich nickte und die Erinnerung schickte ein Lächeln über mein Gesicht. „Natürlich erinnere ich mich noch an das Baumhaus.“

„Keiner wollte dir damals helfen“, sagte sie und obwohl ich natürlich wusste, worauf das hinauslief, ließ ich sie einfach machen. Es war schön, meiner Ma zuzuhören, wie sie alte Geschichten ausgrub und voller Liebe davon erzählte, wie sie sich in Details vergaß und dann die neuesten Gerüchte über die Nachbarn etwas leiser erzählte, wie sie von sich und Dad sprach. Für einen Moment schaffte sie es, wieder Normalität in mein Leben einkehren zu lassen, und für einen Moment vergaß ich den blöden Artikel. Ich vergaß die Fans, denen ich zu unscheinbar war, ich vergaß Natascha, die noch immer an Eric hing und viel besser zu ihm passte – und ich … nein, Eric, Eric konnte ich nicht vergessen. Was auch immer ich machte, er war irgendwie bei mir und ich freute mich schon darauf, dass wir uns morgen wiedersehen würden.

Heute Abend hatte er noch irgendeinen Auftritt, aber morgen Früh wäre er wieder bei mir. Und auch wenn er meine Wohnung nicht besonders mochte, so versuchte er, es nicht allzu sehr zu zeigen. Über den Schlüssel schien er sich auch wirklich gefreut zu haben, es war einfach praktischer, wenn er einfach vorbeikommen konnte.

Meine Gedanken schweiften ab und erst als meine Mutter über eine Lasagne sprach, die sie ganz offensichtlich vergessen hatte und die sie jetzt unbedingt aus dem Ofen holen musste, kam ich wieder zurück zu unserem Gespräch. Wir verabschiedeten uns, und sobald ich aufgelegt hatte, klingelte das Telefon erneut.

„Hast du was vergessen?“, fragte ich. „Oder ist die Lasagne schon tot?“

„Was soll ich vergessen haben?“, wollte Flo wissen. „Und wie kann Lasagne sterben?“

„Ach, sorry, ich dachte du wärst meine Mutter.“

„Esther, ich bin deine Mutter“, erklärte Flo mit Grabesstimme.

Ich schmunzelte. „Jetzt bekomme ich Angst.“

„Ich wollte nur hören, wie es dir so geht“, sagte Flo.

„Mir geht es gut.“

„Wirklich?“

„Wirklich“, bestätigte ich. „Ich weiß ja selbst, dass es kindisch ist, mich von so einem Artikel irritieren zu lassen …“

„Das ist überhaupt nicht kindisch“, unterbrach mich Flo. „Das ist ganz normal. Die Tussi, die den Text verfasst hat, ist doch nur eifersüchtig. Die würde sich ihre rechte Hand abhacken, um mit dir zu tauschen.“

„Dann würde ihr Foto zumindest auch so schlecht wie meines aussehen“, sagte ich verdrossen.

Flo lachte. „Mit nur einer Hand? Ach, Esther, so schlimm ist es doch gar nicht.“

Ich schnaubte. „Neben Natascha sehe ich aus wie ein Fass. Ein vollgefülltes Fass.“

„Nein, doch nicht wie ein Fass“, kicherte Flo. „Außerdem glaube ich, dass sie das Foto retuschiert haben. Natascha hat lange Beine – okay – aber doch nicht so megalang.“

„Doch“, sagte ich bedrückt, „die waren so lang.“

„Aber ihr Gesicht …“, versuchte es Flo.

„Auch ihr Gesicht war so hübsch“, sagte ich und zog mir die Decke noch enger um mich herum. „Es hilft einfach nichts, ich bin Quasimodo und sie ist das Model. Oder ich bin das Biest und sie ist die Schöne.“

„Du weißt aber schon, dass die Schöne und das Biest zum Schluss ein Paar werden?“

Ich lachte.

„Gut, wenigstens kannst du noch lachen“, sagte sie. „Aber wenn ihr tatsächlich ein Paar werdet, dann bekomme ich die ersten Fotos, okay?“

„Wieso?“

Flo kicherte. „Na, weil die ersten Schnappschüsse von euch sicher verdammt viel Kohle einbringen.“

5 thoughts on “Esther – 93

  1. ich mag die Geschichte von Ester und Eric und bin auch sehr gespannt wie es mit Ihnen weitergeht. Auch freue ich mich weiter von ihnen zu lesen – man glaubt fast , die Figuren kennt man irgendwo her.

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