Esther – 96

Esther – 96

Ich klopfte an die Tür und Eric öffnete mir. Er wirkte müde, seine Augenringe waren nicht zu übersehen und ich fragte mich, wann er das letzte Mal geschlafen hatte. Als er mich sah, wirkte er überrascht.

„Esther“, sagte er rau und mein Herz klopfte wie wild.

„Ich habe eine SMS bekommen“, erklärte ich schnell. „Von Zoe. Sie schrieb, dass ich hierher kommen soll.“

Erics Stirn kräuselte sich. „Sie hat dir geschrieben? Woher hat sie deine Nummer …?“, setzte er an, aber die Lösung schien ihm gleich selbst einzufallen. „Aber sicher. Die Kleine scheint gerissener zu sein, als ich dachte.“ Er sah mich an, mit diesem intensiven Blick und für einen Moment dachte ich, dass mir gleich die Beine wegsacken würden. „Komm rein.“

Ich nickte und es war seltsam, mich in seiner Suite zu befinden, gleich direkt neben ihm und gefühlt doch so weit weg. Er deutete mir, ihm nach draußen auf die Terrasse zu folgen. Erst als er die Tür hinter sich zugeschoben hatte und wir im Freien standen, begann er wieder zu sprechen.

„Zoe schläft gerade.“

„Sie ist bei dir?“

Er nickte. „Sie hat hier im Hotel auf mich gewartet, laut dem Concierge sogar einige Stunden.“

„Und wie geht es ihr?“

„Ich denke, ganz gut. Zumindest hat sie ordentlich viel gegessen.“

„Das ist gut“, sagte ich und lächelte und auch Eric lächelte. Am liebsten wäre ich ihm einfach um den Hals gefallen und hätte ihn geküsst, am liebsten hätte ich das Gespräch in der Küche einfach ausgelöscht, aber ich konnte es nicht, es stand noch immer zwischen uns.

„Esther“, begann er und ich unterbrach ihn.

„Es tut mir leid“, sagte ich schnell, bevor er weiterreden konnte. „Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist … doch ich weiß es, ich war einfach so verdammt eifersüchtig, Eric. Zuerst dieser Artikel und als du dann im Schlaf gesprochen hast, hatte ich einfach solche Angst, ich hatte so eine unbändige Angst, dass ich dich verlieren würde.“

Eric nahm meine Hand. „Du wirst mich nicht so schnell los. Natascha ist mir wirklich scheißegal, sie ist ein Teil meiner Vergangenheit, aber du“, seine dunklen Augen bohrten sich in meine, während er mir mit der Hand sanft über die Wange strich, „du bist meine Zukunft.“

Ich schluckte und eine unheimliche Last fiel von mir ab, es war, als hätte jemand die Schnur zu dem Gewicht, das den Luftballon am Boden hielt, einfach abgeschnitten und das Glück flog zurück zu mir.

Eric zog mich zu sich heran und mein Herz drohte aus meiner Brust zu springen. Sein Blick glitt zu meinen Lippen, er lächelte sexy und dann senkte er seinen Mund auf meinen. Und als sich unsere Lippen fanden, wusste ich, dass man nicht mehr Glück empfinden konnte, als ich in diesem Moment.

„Wieso ist Zoe zu dir gekommen?“, fragte ich irgendwann. Eric hatte den Arm um mich gelegt und ich fühlte mich ihm wieder so nah, wie zu dem Zeitpunkt, bevor es zu unserem Streit gekommen war.

„Sie hatte Streit“, sagte er und lächelte mich an. „Scheint gerade modern zu sein.“

„Liegt vielleicht in der Familie“, gab ich etwas zu schnell zurück und stockte sofort. „Tut mir leid, so war das nicht gemeint.“

Er schüttelte den Kopf. „Du hast ein Talent, es auf den Punkt zu bringen.“

„Wie meinst du das?“, fragte ich, als von drinnen ein Geräusch zu hören war. Zoe schien aufgewacht zu sein.

„Weißt du, warum sie mir getextet hat, dass ich herkommen soll?“, fragte ich leise.

Eric schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Sie hat vorhin irgendetwas davon gefaselt, dass sie nicht besonders nett zu mir war. Aber da ich sowieso ein Arsch bin, fand sie das dann doch nicht so schlimm, nur bei dir wollte sie sich anscheinend entschuldigen. Vielleicht wollte sie auch nur sichergehen, dass ich sie nicht sofort rauswerfe, mit dir fühlt sie sich anscheinend sicherer. Jedenfalls muss sie sich irgendwann mein Handy gekrallt haben, um deine Nummer rauszusuchen.“

„Das ist irgendwie süß“, sagte ich und beobachtete sie durch die Fensterscheiben, wie sie gerade den Fernseher anschaltete. Ich spürte eine Beklemmung in mir aufkommen. „Sie wirkt so zerbrechlich – es geht ihr nicht gut, oder?“

„Sie hat noch keinen Spender.“

„Und deswegen ist sie zu dir gekommen?“

„Wahrscheinlich“, erwiderte er. „Denn immerhin bin ich mit Abstand ihre beste Chance.“ Die Art, wie er es sagte, machte mich stutzig. Er sagte es so voller Überzeugung.

„Wie meinst du das?“, hakte ich vorsichtig nach.

Eric schnaubte. „Anscheinend haben wir nicht nur dieselbe beschissene Mutter, sondern auch noch denselben beschissenen Vater abbekommen.“

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