Eric – 114

Eric – 114

Ich hatte keinen Bock, mit ihr zu sprechen.

„Willst du nicht rangehen?“, fragte Esther. Ich wusste, dass sie es gut meinte, aber ich hatte nicht vor, mit meiner Mutter zu telefonieren.

„Vielleicht geht es um Zoe“, sagte Esther. Ich wünschte, sie hätte ihren Namen nicht ins Spiel gebracht, denn Zoe war der einzige Grund um ranzugehen, auch wenn sich alles in mir wehrte.

„Ich geh jetzt mal. Wenn du etwas brauchst, melde dich.“ Esther drückte mir einen Kuss auf die Wange und ließ mich dann allein. Nicht, weil sie zur Uni musste, sondern weil sie mir den Platz geben wollte, mit meiner beschissenen Mutter zu telefonieren.

Als die Haustür ins Schloss fiel starrte ich noch immer auf das verfluchte Display, bis das Klingeln irgendwann erstarb. Es war feig, aber ich war erleichtert, als ich ihren Namen nicht mehr auf meinem Handy sah, als ich das Gefühl hatte, als könnte ich ihrer Anwesenheit entkommen.

Dann klingelte es noch einmal und der verdammte Klingelton klang so aufgeregt, dass meine Pumpe automatisch schneller ging. Sie hatte sich aus meinem Leben gestohlen, sie war davongelaufen, vor mir und jetzt kam sie zurück, weil es wahrscheinlich wirklich um Zoe ging.

„Ja“, sagte ich nur.

„Eric, gut dass ich dich erwische“, stieß sie hervor, als hätten wir eine ganz normale Beziehung, als würden wir uns jeden beschissenen Sonntag zum Bratenessen treffen und nachher über unsere Woche sprechen.

„Was willst du?“, fragte ich und es war die gleiche Frage, die ich auch dem Mistkerl gestellt hatte. Jetzt wollten alle etwas von mir, nachdem sie vor Jahren nicht für mich dagewesen waren.

„Zoe ist weg. Ist sie bei dir?“

„Nein.“

Sie schluchzte ins Telefon und hörte sich wie eine Mutter an. Wie eine verdammte Mutter, die sich Sorgen machte, wie eine Mutter, der ihr Kind alles auf der Welt bedeutete.

Ihr anderes Kind.

„Ich weiß nicht mehr, wo sie sein kann, ich weiß auch nicht, ob sie zu Hause geschlafen hat, ich wollte sie heute wecken, doch ihr Bett war leer.“

„Das interessiert mich nicht“, sagte ich hart, und es war nicht annähernd so hart, wie sie es verdient hätte.

Ich hörte, wie sie auf der anderen Seite tief die Luft einsog. „Eric, Zoe hält viel von dir und sie ist durcheinander, weil wir einen Streit hatten. Sie war doch das letzte Mal auch bei dir. Wenn sie zu dir kommt, ruf mich an. Bitte.“

Ihre Stimme klang so flehend, und es schnitt mir direkt ins Herz, weil sie sich für mich niemals so ins Zeug gelegt hatte. Und dann dachte ich an Zoe, und daran, dass sie irgendwo herumirrte.

„Wenn sie zu mir kommt, wird sie dich anrufen“, war das Einzige, was ich herausbrachte und dann legte ich auf.

Am liebsten wäre es mir egal gewesen, am liebsten hätte es mich einen feuchten Dreck interessiert, was mit Zoe los war, aber ich konnte nicht anders, als aufzustehen, mich anzuziehen und mir einen Wagen zu rufen.

 

Auf dem Weg zum Hotel tauschten sich die verfluchten Schreckensszenarien in meinen Kopf ab. Fuck, ich hatte keinen Schimmer, was mit mir los war, warum ich mir solche Sorgen machte. Ich war viele Jahre ohne Zoe ausgekommen, hatte nichts von ihrer Existenz geahnt, und jetzt plötzlich hatte ich eine beschissene Angst, dass ihr wirklich etwas passiert war.

Ich ging durch die Drehtür des Hotels, direkt zum Empfang.

„Ist jemand für mich da gewesen?“, fragte ich den Typen, den ich noch nicht kannte.

Er wurde ganz nervös, als er mich sah. „Nein, Mister Adams, es war niemand für Sie da.“

„Und eine Nachricht?“

Er schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Aber sollte eine Nachricht eintreffen, werde ich sie umgehend zu Ihnen in die Suite hochschicken lassen.“

Ich nickte und ging zum Aufzug, während ich mich fragte, wie lange man warten musste, um die Polizei zu verständigen. Fuck. Das war echt nicht mein Ding.

Ich stieg in meiner Etage aus, zog die Keycard aus der Hosentasche und steuerte auf meine Suite zu. Ein dünnes Mädchen kauerte auf dem Boden vor meiner Tür und ich spürte, wie verdammt erleichtert ich war, während ich plötzlich wieder irre Schiss bekam, mit Esther ein Kind zu kriegen.

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