Eric – 120

Eric – 120

„Kannst du das glauben? Das ist unser Baby“, flüsterte sie und fuck, nein, ich konnte es nicht glauben, obwohl ich gerade noch sein Herz auf dem Monitor schlagen gesehen hatte. Es überstieg meine verdammte Vorstellungskraft, was irgendwie absurd war, weil wir uns doch die ganzen letzten Tage mit nichts anderem als diesem Thema auseinandergesetzt hatten.

Aber scheiße nochmal, es war etwas anderes, darüber zu reden, als das kleine Ding tatsächlich zu sehen.

Ich beugte mich zu ihr hinunter und wollte sie einfach nur küssen, als ein ersticktes Geräusch von der Tür zu uns drang und ich herumfuhr.

Eine Tussi mit einer gepiercten Unterlippe in einer viel zu engen Jeans stand vor dem Untersuchungsraum und starrte zu uns herein. Als sich unsere Blicke trafen, weiteten sich ihre Augen und sie fuhr mit der Hand in ihre Umhängetasche – wahrscheinlich, um ihr verdammtes Handy herauszuholen.

Mit zwei schnellen Schritten war ich bei der Tür und knallte sie ihr vor der Nase zu, bevor ich mich zu Esther umdrehte. Sie drückte sich erschrocken das Ultraschallbild an die Brust und war blass geworden.

„Wer war das?“, flüsterte sie.

„Keine Ahnung“, knurrte ich. „Denk nicht darüber nach.“

Sie nickte unsicher, während ich den halbwüchsigen Arzt verfluchte, der die Tür halb offen stehen gelassen hatte.

Ich würde Security brauchen, wurde mir mit einem Mal bewusst. Bisher war es nur um mich gegangen, aber wenn einer von den Idioten da draußen auf die Idee kam, ein perfektes Foto für die Presse schießen zu wollen, würden sich die beschissenen Hyänen zuerst auf meine schwangere Freundin stürzen.

„Was ist?“, fragte Esther und streckte die Hand nach mir aus.

„Nichts“, antwortete ich und versuchte, meine Stimme entspannt klingen zu lassen.

„Eric …“, murmelte sie und verdammt, ich konnte ihr nicht mal für ein paar Sekunden was vormachen.

„Mach dir keine Gedanken. Ich sorge dafür, dass euch nichts passiert“, versprach ich ihr und küsste ihre Fingerknöchel. Dabei sah ich sie für einen Moment wieder zusammengekrümmt auf dieser Trage liegen und atmete tief durch.

Wenn ihr etwas zugestoßen wäre … nein, diesen beschissenen Gedanken durfte ich nicht zu Ende denken.

„Du musst Zoe anrufen“, sagte sie in dem Moment und ich nickte fahrig.

„Das mache ich, sobald du in einem Bett liegst.“

„Zoe hat mir erzählt, dass dein Vater hier war“, fuhr sie plötzlich fort und ich hatte das Gefühl, als hätte mir jemand einen Eimer Steine in den Magen gekippt.

Beherrscht atmete ich durch. „Mach dir darüber …“

„Keine Gedanken?“, unterbrach sie mich und entzog mir ihre Hand. „Das kann ich nicht, Eric. Sie ist deine Schwester. Dadurch sind wir so etwas wie …“, sie stockte kurz, „wie eine Familie.“

„Glaub mir, du willst kein Teil meiner verfluchten Familie sein“, stieß ich hervor und hätte mir im nächsten Moment selbst die Zunge abbeißen können.

„So hab ich das nicht gemeint“, knurrte ich, als ich ihren verletzten Gesichtsausdruck sah. „Ich meinte doch nur … verdammt, Esther, du willst kein Teil von etwas sein, das auch ihn miteinschließt, glaub mir.“

Sie sah mich mit ihren sanften braunen Augen an und nickte dann. „Es ist okay, wenn du ihn nicht mehr in deinem Leben haben willst, Eric. Aber jetzt geht es um Zoe – und darum, was das Beste für sie ist.“ Sie schluckte und senkte den Blick auf das Ultraschallbild mit diesem kleinen hellen Klecks, der tatsächlich unser Kind war. „Manchmal muss man einfach über seinen eigenen Schatten springen, Eric.“

Stumm starrte ich zu Boden.

Verdammt, sie hatte recht. Sie hatte mit allem, was sie sagte, so verflucht recht. Und obwohl mir mein Verstand befahl, dass ich meinen Hass auf den Mistkerl wegen Zoe zur Seite schieben musste, hätte ich gleichzeitig kotzen können, wenn ich nur daran dachte, ihn in die Nähe meiner kleinen Schwester zu lassen. In diesem Moment schwang die Tür auf und eine Krankenschwester steckte den Kopf herein.

5 thoughts on “Eric – 120

  1. Ich liebe Esther!! Durch sie versteht Eric, dass er sich nicht sein ganzes Leben lang verstecken kann, vor Dingen die in der Vergangenheit sein Leben bestimmt haben.

  2. Liebe ? Carmen, liebe ? Ulli
    Da ich die letzten vier4️⃣ Tage krank ? war, habe ich nun in dieser Zeit ?euren ganzen Blogroman verschlungen.
    Die Geschichte und überhaupt die Idee ? des Blogromans gefällt unglaublich gut ? und alle Leute, die diese unfassbare Story Dienstag um Freitag lesen ? mussten tun mir echt Leid. Also klar, sie mussten ja nicht lesen ?, aber ?gentlich (eigentlich) geht es mir darum, alle Leute, die nach jedem Kapitel drei 3️⃣oder sogar vier4️⃣ Tage auf die Fortsetzung warten mussten die tun mir Leid. So gesehen hat es schon Vorteile wenn man zwei 2️⃣ Jahre nachlesen kann!!
    Liebe Grüsse und vielen Dank ?
    Valérie

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