Eric – 154

Eric – 154

Sie sah wunderschön aus, wie sie am Arm ihres Vaters auf mich zukam. Das Glück strahlte nicht nur aus ihrem Lächeln, es strahlte auch aus ihren Augen und aus jeder ihrer anmutigen Bewegungen. Sie war eine verdammte Göttin.

Hingerissen hielt ich ihr den Arm hin, den sie mit sanftem Druck ergriff. Dabei grinste ich wahrscheinlich wie ein beschissenes Honigkuchenpferd, während sich eine Lawine an Erinnerungen in mir löste.

Esther, die mir als Kind ihr Pausenbrot angeboten hatte, obwohl ich ihr nur ein selbst gezeichnetes Bild dafür geben konnte. Esther, die ich nach all den Jahren im Coffeeshop wiedergesehen hatte, ohne zu verstehen, wieso ihr Anblick meine Pumpe so verrücktspielen ließ. Esther, wie sie auf dem nassen Asphalt der Straße gelegen hatte und um ihr Leben kämpfte. Der erlösende Moment, als sie endlich wieder aus dem Koma aufgewacht war. Und dieser unglaubliche Abend, als wir uns in ihrem alten Kinderzimmer endlich wiedererkannt und zum ersten Mal geliebt hatten.

Ich atmete tief durch.

Esther, die mir gesagt hatte, dass wir ein Baby bekommen würden. Und in deren sanften braunen Augen ich mich vom ersten Moment an hatte verlieren können.

Meine Finger legten sich auf ihre. Diese Frau war bereit, mich zu heiraten und den Rest ihres Lebens mit mir zu verbringen.

Es war ein verdammtes Wunder.

Das Streichquartett hörte mit einem lang gezogenen, klaren Ton zu spielen auf, woraufhin nur noch das sanfte Säuseln des Windes zu hören war, der durch die Blätter rauschte.

Eine erwartungsvolle Stille legte sich über die kleine Lichtung, während wir gemeinsam unter den Hochzeitsbogen traten, wo uns der weißhaarige Pfarrer gütig anlächelte.

In diesem Moment keuchte Esther erschrocken auf.

Irritiert sah ich sie an. „Alles in Ordnung?“

Blanke Panik spiegelte sich in ihrem Blick, bevor sie an ihrem Kleid hinunterschaute, sich dann zu den wartenden Gästen umdrehte und schließlich wieder mich anblickte.

„Äh … ja.“ Ihre Finger krallten sich in meinen Arm. „Lass es uns schnell hinter uns bringen.“

„Schnell hinter uns bringen?“, wiederholte ich fassungslos, wobei ich Flos angespannten Blick auffing. Sie hatte sich auf der anderen Seite des Hochzeitsbogens hinter Esther positioniert und schien auch nicht zu wissen, was los war.

„Geht es Ihnen gut, meine Liebe?“, fragte der Pfarrer gedämpft, während die Leute auf der Lichtung leise zu tuscheln anfingen.

„Sicher.“ Esther war unnatürlich blass geworden. „Können wir es vielleicht nur ein bisschen … abkürzen?“

Flo verließ mit zusammengezogenen Augenbrauen ihren Standort und huschte zu uns. „Was ist los, Süße? Soll ich das Fluchtauto fahren?“, flüsterte sie vernehmlich.

„Was für ein Fluchtauto?“, fragte Chris hinter mir, woraufhin das Getuschel der Gäste noch viel lauter wurde.

„Stopp.“ Der Nachdruck, den ich in meine Stimme legte, brachte die anderen dazu, zu verstummen. Obwohl meine Pumpe einen Gang zugelegt hatte, zwang ich mich, mir nichts davon anmerken zu lassen. Stattdessen nahm ich Esther an beiden Händen und sah sie eindringlich an. „Sag mir jetzt, was los ist.“

Sie biss sich auf die Lippen, bevor sie mit einem erneuten Keuchen die Hand auf ihren Bauch legte und dabei leicht in die Knie ging. „Das Baby kommt“, flüsterte sie dann unglücklich.

„Was hat sie gesagt?“, rief eine von Esthers Tanten von weiter hinten. „Sprecht doch lauter!“

„Das …“ Ich schluckte und starrte meine zukünftige Frau an. „Das Baby kommt!“, brüllte ich dann, woraufhin einen Moment lang überraschte Stille herrschte, bevor jubelnder Applaus auf der kleinen Lichtung ausbrach. Ein paar Vögel flatterten aus den Bäumen erschrocken in die Höhe, während Esther sich mit einer Hand an mir festklammerte und erneut mit einem leisen Stöhnen in die Knie ging. Rasch schlang ich meinen Arm um sie, um sie zu stützen.

„Wir müssen ins Krankenhaus.“

„Es tut mir leid“, hauchte sie. „Ich wollte dich so gern heiraten.“

„Das will ich doch hoffen“, gab ich grinsend zurück, während ich mich auf der kleinen Lichtung umsah. „Tut mir leid, uns ist was dazwischengekommen. Wer kann uns fahren?“

4 thoughts on “Eric – 154

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