Eric – 72

Eric – 72

Nach dem Gespräch mit der Bulldogge lief ich ziellos durch die Straßen. Ich hatte keine Ahnung, ob es gut oder schlecht gewesen war, was sie da mit mir machte, aber Fakt war, dass ich mich noch aufgewühlter fühlte, als zuvor.

Sie hatte mich gezwungen, die ganze Scheiße aus meiner Kindheit wieder auszugraben, und mich mit meinen verfickten Gefühlen auseinanderzusetzen, ohne mir sofort die Birne wegzuknallen.

Ich hatte keinen Bock auf eine Therapie, aber selbst mir war nach Vegas klar geworden, dass ich was ändern musste, wenn ich Esther nicht verlieren wollte.

Fluchend griff ich nach meinem Handy und versuchte, die Scheißangst davor zu bezwingen, was sie sagen würde, wenn ich ihr die Wahrheit zeigte.

Die stinkende verpestete Wahrheit, die nichts mit dem Rockstar und der Kohle und dem ganzen Glanz zu tun hatte, sondern nur mit einer gescheiterten Existenz, die jetzt meine Hilfe wollte, obwohl sie selbst nie für mich dagewesen war.

 

Zurück im Hotel rief ich Esther an und sagte ihr auf die Mailbox, dass ich mit ihr sprechen müsse, bevor mir einfiel, dass sie ihr verdammtes Handy ja ins Klo geworfen hatte.

Ich hielt das Telefon noch immer in der Hand, als mein Anwalt anrief.

„Sag mir, dass du keine schlechten Nachrichten für mich hast“, begrüßte ich ihn und trat hinaus auf die Terrasse, wo die Sonne gerade unterging.

„Dann fürchte ich, dass ich später nochmal anrufen muss“, erwiderte er nüchtern.

„Fuck“, murrte ich und ging zur Sitzgruppe neben dem Pool. „Was ist los?“

„Der Dozent, dem du eins auf die Nase gegeben hast, hat dich auf Schmerzensgeld verklagt“, erklärte er mir.

„Wie viel?“

„Das willst du nicht wissen.“

„Kommt er damit durch?“

Mein Anwalt schnaubte. „Er hat jede Menge Zeugen, Eric. War vielleicht nicht die beste Idee, ihm direkt in der Uni eine reinzuhauen.“

Ich ließ meinen Blick über die Dächer der Stadt schweifen. „Soll ich es das nächste Mal lieber in einer dunklen Gasse machen?“, fragte ich.

„Ich schlage vor, du überlegst es dir das nächste Mal generell, ob sich solche Dinge nicht auch anders lösen lassen.“

„Er hat mein Mädchen angefasst.“

Mein Anwalt seufzte. „Schon klar. Nur gibt es dafür leider keine Zeugen.“ Er machte eine kurze Pause. „Das nächste Mal kommst du in so einem Fall zu mir. Es gibt andere Wege, um so gerissene Arschlöcher wie ihn bezahlen zu lassen.“

„Es wird kein nächstes Mal geben“, knurrte ich.

„Das hoffe ich auch jedes Mal, wenn ich mit dir telefoniere“, erwiderte er. „Aber irgendwie schaffst du es immer wieder, dich erneut in die Scheiße zu reiten.“

Ich hob eine Augenbraue. „Das müsste dich doch freuen. Immerhin bezahl ich dir damit deine verdammte Yacht.“

Er ließ ein bellendes Lachen hören. „Auch wieder wahr.“

„War’s das?“, fragte ich und wollte nur noch auflegen. Mein Schädel hämmerte und ich fühlte mich wie nach einer vollen Dröhnung, dabei hatte ich mich nur zum ersten Mal seit langem mit meiner Vergangenheit auseinandergesetzt.

„Ja, ich wollte dir nur Bescheid geben. Ich melde mich, sobald es Neuigkeiten gibt.“

Ich nickte und legte wortlos auf. Dann blickte ich auf den Pool und überlegte, ob ich noch eine Runde drehen sollte, um etwas von der inneren Scheiße abzubauen, die gerade überlief. Aber ich war zu fertig, wollte einfach nur ins Bett.

Ohne mich zu duschen oder mich auszuziehen schlurfte ich zu dem frisch gemachten Kingsize-Bett und ließ mich einfach hineinfallen. Dabei dachte ich an Esther und daran, was die Bulldogge gesagt hatte. Dass ich sie ins Boot holen musste, wenn ich wollte, dass es funktionierte.

Fuck, ja, das wollte ich.

Das Problem war nur, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass es ihr gefallen würde.

4 thoughts on “Eric – 72

  1. Spannend, mitreißend, schwer – immer wieder auf den nächsten Teil zu warten.
    Macht weiter so! Mir gefällt das Format.
    Bin gespannt, ob Esther für Eric Verständnis hat und den Weg mitgeht.

Schreibe einen Kommentar zu Valérie Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top