Eric – 98

Eric – 98

Nachdem Chris mich vor dem Hotel abgesetzt hatte, bekam ich eine SMS von Zoe. Von deiner kleinen Schwester, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf, die ich rasch zur Seite schob.

Zoe schrieb, dass sie gut zu Hause angekommen sei und den Room-Service in meinem Hotel jetzt schon vermisse. Ich ertappte mich bei einem schiefen Grinsen und wollte das Handy gerade wieder einstecken, als noch eine weitere Nachricht kam. Es waren nur zwei Worte, aber sie machten, dass sich mein beschissenes Herz für einen Moment zusammenzog: Danke, Eric.

Um nicht darüber nachdenken zu müssen, warum ich nicht damit klarkam, dass sie sich bei mir bedankte, steckte ich das Telefon weg und nahm den Lift hinauf in meine Suite.

Fuck, es war ja nicht das erste Mal, dass mir Menschen dankbar waren – jeden Tag bekamen wir Dutzende Mails und Briefe, in denen sich die Fans für unsere Musik bedankten und es hatten sich auch schon Frauen bei mir für die Nacht bedankt, was sollte also die scheiß Sentimentalität?

Genervt zog ich die Schlüsselkarte durch den Schlitz und drückte die Tür zum Hotelzimmer auf. Sie empfing mich mit derselben aufgeräumten Kühle wie immer. Die Putztruppe war da gewesen und hatte alle Spuren von Zoes und Esthers Besuch beseitigt; das Kingsize-Bett war gemacht, die Chipskrümel vom Boden gesaugt und die Teller mit den Überresten ihres Festgelages verschwunden.

Mit einem tiefen Atemzug stieß ich mich von der Tür ab und streifte durch die Suite. Alles hier war so verdammt perfekt durchgestylt und aufeinander abgestimmt, dass mir das Kotzen kam. Das dunkle Grau der Wände passte perfekt zu dem vielen Glas, der indirekten Beleuchtung, dem Whirlpool und der Bar – und doch passte nichts davon so richtig zu mir, da es genauso gut einem Fremden hätte gehören können.

Müde blieb ich vor dem Panoramafenster stehen und blickte hinaus auf die Terrasse mit dem spiegelglatten Pool und der dahinterliegenden Stadt.

Mein Herz schlug zu schnell und ich ballte die Rechte zur Faust, als ich die Wörter ein weiteres Mal durch meinen kaputten Geist schleifte: Danke, Eric – als wäre es das erste beschissene Mal, dass ich etwas Selbstloses getan hatte.

Lass sie nicht so nah an dich ran, raunte die Stimme von vorhin und ja, verdammt – das war es.

Ich wollte Zoe nicht an mich ranlassen, nicht, wenn ich nicht mal wusste, ob die Testergebnisse positiv sein würden – und verfluchte Scheiße, ich war mir nicht mal sicher, ob ich das wollte.

Auf alle Fälle wollte ich nicht, dass sie starb.

Mein Handy klingelte, es war ein schriller, nervenzehrender Ton – ich musste diesen beschissenen Klingelton endlich mal umstellen. Schlechtgelaunt griff ich in meine Hosentasche und drückte die Lautlos-Taste.

Wahrscheinlich war es Simon, der wieder damit nerven wollte, dass heute Abend die Kack-Global-Music-Awards vergeben wurden, die mir nicht egaler hätten sein könnten, aber ich hatte es den Jungs versprochen.

In letzter Zeit neigte ich offenbar dazu, zu viele Dinge zu versprechen.

Kopfschüttelnd wandte ich mich vom Fenster ab und ging zu dem Schrank, der voll war mit irgendwelchen Designerklamotten, die sie mir nachgeschmissen hatten in der Hoffnung, ich würde so ein Ding mal zu einer Preisverleihung tragen. Ich hatte keinen Bock, mich zu verkleiden und griff nach einem schwarzen Hemd und einer schwarzen Hose, die ich aufs Bett warf.

Dann bestellte ich mir was zu essen und wusch mir im Bad den Krankenhausgeruch ab, bevor ich Simons Mailbox-Nachricht abhörte. Er faselte was davon, dass ich rechtzeitig wegfahren sollte, um mich im Backstage-Bereich noch mit den Jungs zu treffen, und dass er mit Esther und Flo separat zur Veranstaltung käme. „Mach dir nicht ins Hemd“, textete ich zurück und kontrollierte kurz mein Spiegelbild, bevor ich mir den Schlüssel zu meinem Porsche schnappte.

 

Ich war gerade mal aus dem verdammten Hotel draußen und zehn Minuten unterwegs, als die Straße vor mir total verstopfte und von irgendwo eine beschissene Polizeisirene zu hören war.

„Was ist da los?“, rief ich einem Radfahrer zu, der gerade in einer waghalsigen Aktion sein Rad wendete, um gegen die Einbahn zurückzufahren.

„Tödlicher Unfall“, gab dieser knapp zurück. „Irgendwas mit Fahrerflucht, die haben sogar zwei Helikopter losgeschickt. In der nächsten Stunde gibt’s hier sicher kein Durchkommen.“

4 thoughts on “Eric – 98

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top