Esther – 104

Esther – 104

„Und der Preis für den besten Song geht an Schwarzer Tag von der Band NEBEN!“, sagte Erics Ex auf der Bühne und einen winzigen Augenblick später setzte frenetischer Applaus ein. Auch ich begann zu klatschen und Flo jubelte mir so laut ins Ohr, dass es schon beinahe wehtat. Das flaue Gefühl in meinem Magen verstärkte sich, als ich mich lächelnd zur Seite beugte, aber ich versuchte es zu ignorieren, während die Jungs in die Höhe sprangen. Dabei strahlte ich Eric an, dem nur ein kurzes Lächeln übers Gesicht huschte, als ob der Preis keine große Sache wäre. Unsere Augen fanden einander und ich hoffte, dass er erkannte, wie unglaublich stolz ich auf ihn war. Im nächsten Moment wurde er schon Richtung Bühne geschoben, wo Natascha mit eingefrorenem Lächeln wartete, um ihnen den Preis zu überreichen.

Nach wie vor applaudierte das ganze Publikum und ich versuchte, mich von der euphorischen Stimmung mitreißen zu lassen und die immer heftiger werdende Übelkeit zu ignorieren, die plötzlich meinen Körper überschwemmte. Es war, als ob die Schreie und das Gejohle alles noch verstärken würden und ich merkte, wie sich mein Gesichtsfeld zu verengen begann. Gleichzeitig brach mir der Schweiß aus und ein Hitzegefühl in den Ohren sagte mir, dass ich kurz davor war, ohnmächtig zu werden.

Panisch sprang ich in die Höhe und wandte mich nach links, wo laut dem Platzanweiser die Toiletten sein sollten. Auf gar keinen Fall wollte ich hier umkippen und Eric seinen Moment versauen.

„Esther, was ist denn?“, hörte ich Flo fragen, aber mir war so übel, dass ich nur den Kopf schütteln konnte, bevor ich weiterstakste, den Blick starr nach vorne gerichtet. Als die Tür zum Damen-WC in Sicht kam, fing ich zu rennen an. Ich schaffte es gerade noch bis zum ersten Waschbecken, als alles, was ich in der letzten Stunde gegessen und getrunken hatte, in einem großen Schwall wieder herauskam. Ich würgte noch zwei weitere Male und hielt mich hustend am Waschbeckenrand fest, als die Tür hinter mir aufflog und schnelle Schritte zu hören waren.

Beschämt drehte ich rasch den Wasserhahn auf und hoffte, dass es kein Promi war, als ich Flos vertraute Stimme hörte.

„Esther, was hast du – oh.“ Sie hielt mitten im Satz inne und stellte sich neben mich, während ich hastig die Spuren meiner Kotze beseitigte.

„Tut mir leid“, brachte ich hervor und schüttelte den Kopf. „Mir wurde plötzlich unglaublich schlecht.“

Im Spiegel konnte ich Flos besorgtes Gesicht erkennen, als sie mir sanft eine Hand auf die Schulter legte.

„Das muss dir doch nicht leidtun, Süße“, murmelte sie. „Immerhin hast du nicht auf die Bühne gekotzt, wie damals beim Karaokesingen.“ Sie unterlegte ihre Worte mit einem halbherzigen Lächeln und wenn mir nicht noch immer übel gewesen wäre, hätte ich es womöglich erwidert. „Hast du denn was Schlechtes gegessen?“, fuhr sie fort und musterte mich intensiv.

Erschöpft schüttelte ich den Kopf und hielt mich mit beiden Händen am Waschbeckenrand fest, da ich mich noch immer furchtbar wackelig fühlte.

„Eigentlich nicht“, murmelte ich. „Mir war heute schon den ganzen Tag flau, vielleicht hab ich eine Magenverstimmung.“ Noch während ich die Worte aussprach, klopfte ein kleiner Gedanke an die Hinterwand meines Bewusstseins, ein Gedanke, der mit jedem Atemzug immer größer wurde und mir eine Gänsehaut über die Haut jagte.

„Esther?“, fragte Flo mitfühlend. „Du bist ganz blass geworden. Musst du dich nochmal übergeben?“

Ich antwortete nicht, während ich gleichzeitig fieberhaft nachrechnete und meine Wangen furchtbar heiß wurden, obwohl meine Hände eiskalt waren. Dann wanderte mein Blick unbewusst zu meinem Bauch hinunter und Flo schlug sich die Hand vor den Mund.

„Oh nein. Sag jetzt nicht, du bist …“

„Das kann nicht sein“, unterbrach ich sie hektisch. „Wir haben doch immer aufgepasst“, fügte ich panisch hinzu.

Flo zog eine Augenbraue hoch und sah mich eindringlich an. „Wann hattest du deine letzte Periode?“

Die Frage schlug bei mir ein wie eine Abrissbirne und ich musste schlucken.

„Vor sechs Wochen“, antwortete ich dann tonlos und fühlte, wie mir gleichzeitig Tränen in die Augen stiegen.

5 thoughts on “Esther – 104

  1. Sooo süss…und ich denk mal, Eric wird erst mal schlucken….?…aber dann…er wird stolz sein?…alles andre wär ja übel und er liebt Esther doch so sehr…?

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