Esther – 105

Esther – 105

Sein Blick sagte mir alles, was ich wissen musste. Da war so ein Entsetzen in seinen blauen Augen, dass ich mir unbewusst die Hand auf den Bauch legte und einen Schritt zurück machte, bis ich mit dem Rücken gegen das Waschbecken stieß.

Er bewegte die Lippen, aber es kam kein Ton heraus und dann klammerte er sich am Türrahmen fest und wurde so weiß im Gesicht, als ob er selbst gleich umkippen würde.

„Fuck“, murmelte er.

Ich spürte Tränen in mir hochsteigen und wollte nicht vor ihm weinen – denn natürlich war keine andere Reaktion zu erwarten gewesen. Ohne ein Wort zu sagen, raffte ich meinen Rock und drängte mich an ihm vorbei. In der riesigen Halle war die Preisverleihung noch in vollem Gange und ich sah die Scheinwerferlichter über den Köpfen des Publikums kreisen, während die Moderatoren auf der Bühne einen neuen Preis ankündigten. Diesmal ging es um das beste Album und auch hier war Eric mit seinen Jungs nominiert.

Mit tränenverschleiertem Blick wandte ich mich nach rechts, dem Ausgang zu. Ich hatte mir diesen Abend so anders vorgestellt und ein Teil von mir wünschte sich, dass das alles einfach nicht wahr wäre.

Ich fühlte mich noch nicht bereit, Mutter zu werden – und Eric fühlte sich ganz offensichtlich auch nicht bereit, Vater zu werden. Wir hätten besser aufpassen müssen. Ich hätte die Pille nehmen sollen. Verdammt, wie hatte das nur passieren können?

Meine Gedanken jagten einander und wurden immer konfuser, während mich meine schnellen Schritte nach draußen trugen, an den vielen Reihen mit den herausgeputzten Menschen entlang, deren wichtigste Sorge gerade war, ob ihr Lieblingskünstler einen Preis abräumte oder nicht.

Schließlich erreichte ich das Ende der Halle und ein schwarz gekleideter Typ von der Security öffnete eine der schweren Türen für mich, um mich rauszulassen.

Zwei Sekunden später war ich draußen und stützte mich für einen Moment an der Wand ab. Die Stille in diesem breiten Korridor war eine Wohltat nach den ganzen Licht- und Soundeffekten und ich wollte einfach nur nach Hause. Instinktiv wandte ich mich nach rechts und beschleunigte meine Schritte, als plötzlich die Tür hinter mir aufgerissen wurde und Eric in den Flur stürmte. Er sah beinahe so gehetzt aus wie an dem Tag, als er über den Bahnsteig gerannt war, um meinen Zug zu erwischen – doch im Gegensatz zu damals breitete sich nun Erleichterung auf seinen Zügen aus.

„Esther.“ Er blieb stehen und ich sah an seinem schnellen Atem, dass er gerannt war. „Es tut mir leid.“

„Was?“, fragte ich tonlos. „Dass du mich geschwängert hast?“

Irritiert schüttelte er den Kopf, bevor er ein paar Schritte durch den menschenleeren Korridor tigerte und sich dabei durch seine schwarzen Haare fuhr. „Nein, verdammt. Also vielleicht doch. Ich weiß es nicht.“

Seine Worte kamen aus tiefster Seele und obwohl ich genau wusste, wie er sich fühlte, tat es trotzdem weh.

„Schon gut“, sagte ich und versuchte mir nichts von meiner Enttäuschung anmerken zu lassen. „Wir müssen das nicht tun. Es gibt Mittel und Wege …“

Noch während ich sprach hasste ich, was ich da sagte, aber ich musste realistisch sein. Er war ein Rockstar, ich eine Studentin – und wir kannten uns erst ein paar Monate. Das waren nicht gerade die idealen Voraussetzungen für ein Baby.

„Wovon redest du?“ Seine Stimme klang härter als ich erwartet hatte.

Unsicher blickte ich zu ihm hoch. Die ganze Zeit über hatte ich ungefähr geahnt, was in ihm vorging, doch nun fühlte es sich an, als hätte er eine Mauer runtergelassen und mich ausgeschlossen. Als ich nicht antwortete, machte er einen Schritt auf mich zu.

„Was meinst du, wenn du von Mitteln und Wegen sprichst?“

„Ich meine, dass wir das Kind nicht bekommen müssen, Eric.“ Alles in mir wehrte sich dagegen, diese Worte zu sagen, aber ich wollte ihn nicht unter Druck setzen, etwas zu tun, wofür er nicht bereit war.

Seine Züge versteinerten sich. „Du willst es also abtreiben lassen?“

12 thoughts on “Esther – 105

  1. Oh mann wie kann man denn an so einer stelle eine pause einlegen? Ich glaub ja die beiden verstehen sich gerade völlig falsch und hoffe dass es gut für sie ausgeht. Aber warten bis freitag… der wahnsinn. Danke für eure tolle geschichte

  2. Ach Esther, ein bisschen mehr Selbstbewusstsein würde dir gut tun. Eric hatte doch gar keine Chance sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass er vielleicht Papa wird. Ich glaube du verstehst ihn in diesem Moment wirklich nicht. Er wird dieses Baby haben wollen und lieben.

  3. Oh, wieder ein paar Tage warten, bis wir die Situation aus der Sicht von Eric lesen können. Ich glaube auch, dass er das Baby haben möchte. Esther hat etwas vorschnell ihr Schlüsse gezogen. Verständlich, dass Eric zunächst geschockt war, aber wenn er sich erst einmal mit dem Gedanken vertraut gemacht hat, dass er Vater werden soll, wird er Esther umso mehr lieben. Sein ganzes bisheriges Verhalten lässt doch den Schluss zu, dass er sehr darunter leidet, dass er nie ein intaktes Familienleben hatte. Er wird deshalb unter gar keinen Umständen wollen, dass sein Kind ohne die Liebe von Vater und Mutter aufwächst. Deshalb wird er Esther auf jeden Fall davon abhalten, das Kind nicht zu bekommen. Auch sie selbst möchte das ja nicht wirklich. Sie geht lediglich davon aus, dass er als Superstar jetzt noch nicht bereit ist, eine Familie zu gründen.

  4. Für seine esther tut er doch alles klar zwischen Tür und Angel muss man so eine Nachricht erst mal verdauen aber er verändert sich ja auch seit er Sie getroffen hat und wenn man bedenkt wie er vorher gelebt hat und den Sinn seines Daseins erst jetzt versteht und endlich Spass am Leben hat muss man ihm Zeit geben und ich glaube er freut sich wir schauen wir es weiter geht lg

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