Esther – 137

Esther – 137

„Danke, Jackson. Ich hätte auch einfach mit dem Zug heimfahren können.“

Der breitschultrige Mann verzog keine Miene. „Mr. Adams wollte, dass ich Sie nach Hause bringe, Ma’am.“

„Esther“, verbesserte ich ihn automatisch. „Bitte nennen Sie mich Esther.“

„Ja, Ma’am.“ Jackson beugte sich hinunter und nahm meine Tasche, um sie zu seinem glänzenden schwarzen Wagen zu bringen.

„Das ist also dein Bodyguard?“, fragte Mum leise, nachdem Jackson außer Hörweite war.

Ich seufzte. „Ja. Eric besteht darauf, dass ich nicht mehr allein unterwegs bin, jetzt wo … du weißt schon.“ Ein Windstoß fuhr durch die Blätter der Bäume im Vorgarten und ich blickte automatisch hoch zu dem Ast, an dem Dad eine Schaukel für mich montiert hatte, nachdem wir hierhergezogen waren. Während der letzten Tage im Krankenhaus waren viele Erinnerungen an meine Kindheit wieder hochgekommen, während ich gehofft und gebangt hatte, dass die Operation gut verlaufen war. Zum Glück schienen die Ärzte einen tollen Job gemacht zu haben, denn meinem Vater war es jeden Tag ein bisschen besser gegangen. Meine Mutter hatte ihm sogar das Versprechen abringen können, in Zukunft mehr auf seine Gesundheit zu achten, um sein erstes Enkelkind noch aufwachsen zu sehen. Und mir hatten sie das Versprechen abgerungen, es mit dem Hochzeitsplaner wenigstens zu versuchen, da mein Vater mich in einer richtigen Zeremonie zum Altar führen wollte. Als ich Eric bei einem unserer Videotelefonate davon erzählte, hatte er es nur mit einem stummen Nicken zur Kenntnis genommen. Dabei schien er in Gedanken ganz woanders zu sein – so war es ständig, seit er zurück in der Stadt war.

Meine Mutter schüttelte neben mir den Kopf. „Ich hätte nie gedacht, dass dich einmal so ein Leben erwartet. Im Rampenlicht und mit einem Bodyguard, um dir die Paparazzi vom Leib zu halten. Ich dachte immer, du wirst Anwältin, machst Karriere und gründest dann irgendwann eine Familie.“

„Das war ursprünglich auch der Plan, Mum.“

Sie zupfte mir einen Fussel von meiner Bluse. „Tja, wie heißt es so schön? Willst du Gott zum Lachen bringen, dann erzähle ihm von deinen Plänen.“ Als Jackson die Kofferraumklappe zuschlug, zuckte meine Mutter leicht zusammen. „Eric kümmert sich gut um dich, oder?“, fügte sie schnell hinzu.

Ich nickte überrascht. „Natürlich tut er das.“

Sie sah für einen Moment zu Boden. „Es ist nur … diese Ausraster, von denen man immer wieder liest.“ Sie stockte kurz. „Diese Seite, die zeigt er dir gegenüber nicht, oder?“

Fassungslos sah ich sie an. „Fragst du mich gerade, ob Eric mich schlägt?“

Jackson kam zurück und meine Mutter errötete, während sie hastig den Kopf schüttelte. „Natürlich nicht. Ich bin nur … dein Vater und ich machen uns nur Sorgen.“

„Du solltest dir mehr Sorgen um Dads Gesundheit machen, als darüber, dass ich von Eric verprügelt werde“, erwiderte ich ein wenig schroffer.

„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht verärgern. Ich musste … ich musste es einfach aus deinem Mund hören. Richte Eric bitte Grüße von mir aus.“

„Das tue ich“, sagte ich nach einem Moment und drückte meine Mutter an mich, bevor ich mich von Jackson zum Wagen begleiten ließ.

Nachdem die Autotür mit einem satten Knall zugefallen war, blickte ich durch die getönten Scheiben nach draußen. Meine Mutter stand vor dem Haus meiner Kindheit und winkte. Ich winkte zurück und schnallte mich an, als Jackson auf der Fahrerseite einstieg und den Motor startete.

„Geht es Ihrem Vater wieder besser, Ma’am?“

„Ja. Er darf bald wieder nach Hause. Er erholt sich gut von der Operation.“

„Das freut mich zu hören.“ Jackson lenkte den Wagen auf die Straße und ich ließ mich in den lederbezogenen Sitz zurücksinken. „Danke, Jackson.“

„Wofür denn?“

„Einfach dafür, dass Sie da sind.“

„Das tue ich gern.“

Ich nickte und schaute aus dem Fenster, wo die Vorgärten an uns vorüberzogen. „Wie ist es in der Stadt? Ich habe die Nachrichten in den letzten Tagen gemieden. Hat sich die Lage wegen des … Zwischenfalls mit Eric und Aron inzwischen wieder beruhigt?

Jackson zögerte einen Moment. „Ich fürchte, beruhigt trifft es nicht ganz“, bemerkte er dann.

Besorgt öffnete ich die Online-Version eines Klatschmagazins und fühlte, wie sich mein Magen verkrampfte, als mir eine Headline in fetten Buchstaben entgegensprang: Schwarze Tage für Sänger Eric Adams: Angeblich ist eine Zeile aus seiner Hit-Single Schwarzer Tag geklaut. Verliert er jetzt alles?

3 thoughts on “Esther – 137

    1. Der Song, den Eric für Esther geschrieben hat, als sie im Koma lag, hieß „Alles und nichts“. Wobei er den Song nicht im Krankenhaus geschrieben hat, sondern ihr nur im Krankenhaus davon erzählt.

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