Esther – 140

Esther – 140

„Glaubst du, Sanchez ist bisexuell?“, fragte Flo, als ich mir gerade einen Bissen Himbeertorte mit einem Überzug aus weißer Schokolade in den Mund schob.

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte ich zurück, nachdem ich hinuntergeschluckt hatte. Die Torte schmeckte fantastisch, genauso wie die acht Torten davor, die ich probiert hatte. Möglicherweise lag das an meinen Schwangerschaftshormonen – ich glaubte aber eher, es hatte etwas mit dem extrem begabten Konditor zu tun, zu dem uns Sanchez geschleppt hatte. Auf alle Fälle hatte mir bisher wirklich jede Kreation ausgezeichnet geschmeckt.

„Zuerst dachte ich, Sanchez wäre schwul, weil er ständig schmachtende Blicke zu Jackson geworfen hat“, erklärte mir Flo leise zwischen zwei Bissen. „Doch inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, da er auch mit der Tortenbäckerin dort zu flirten scheint.“

Ich warf einen Blick durch die nobel eingerichtete Konditorei mit den weißen Rundbogenfenstern. Tatsächlich bemühte sich mein braungebrannter Hochzeitsplaner intensiv um die junge Blondine, die nicht so aussah, als ob sie auch nur eine der Torten selbst essen würde – während Flo und ich von einem Meer an weißen Porzellantellern umgeben waren, auf denen nur noch Reste der exquisiten Köstlichkeiten zu finden waren.

„Vielleicht will er Jackson eifersüchtig machen“, mutmaßte ich leise und spülte meinen letzten Bissen mit einem Schluck Milch hinunter.

„Vielleicht“, sagte Flo und leckte ihre Gabel ab. Dabei betrachtete sie Jackson nachdenklich, der breitbeinig neben der Glastür zur Konditorei stand und die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte. Sein Gesicht war absolut ausdruckslos, doch ich war mir sicher, dass ihm die lüsternen Blicke von Sanchez genauso wenig entgangen waren, wie die Tatsache, dass sich unser Gespräch um seine Person drehte.

„Irgendwie tut er mir leid“, sagte Flo in diesem Moment und stach mit ihrer Gabel in eine cremige Nusstorte. „Ich meine, egal wohin er geht: Überall wird er angestarrt und wie ein … Objekt behandelt.“

„Jackson tut dir leid?“, wiederholte ich ungläubig. „Du wolltest doch, dass er auf deinem Junggesellenabschied strippt. Und dort wäre es sicher nicht nur beim Anstarren geblieben, oder?“

Sie grinste. „Du hast recht. Er ist nun mal ein Sahneschnittchen. Aber Eric hat es ja verboten, also brauchen wir ihn deshalb nicht zu bedauern, oder?“ Flo legte die Gabel beiseite und griff sich stöhnend an den Bauch. „Wenn ich noch einen Bissen esse, bin ich bald so rund wie du.“

Lachend warf ich eine Serviette nach ihr. „Hey, so rund bin ich noch gar nicht.“

„Na ja. Verheimlichen kannst du es zumindest nicht mehr lange“, erwiderte Flo, bevor ihr ein neuer Gedanke kam. „Denkst du eigentlich, dass Eric erlauben würde, wenn Jackson bei deinem Junggesellinnenabschied strippt?“

Ich legte ebenfalls das Silberbesteck zur Seite. „Du kannst ihn ja fragen.“

Sie strich sich ihre rotblonden Locken zurück und winkte ab. „Er sagt ja doch nur Nein. Außerdem sollte ich beim nächsten Junggesellinnenabschied wahrscheinlich ohnehin besser zu Hause bleiben.“ Bei ihren Worten fiel ein Schatten über ihre Augen und ich griff mitfühlend nach ihrer Hand. Obwohl Flo mit ihrem Fehltritt grundsätzlich recht offensiv umging, gab es immer wieder Momente wie diesen, wo man merkte, wie sehr sie ihren One-Night-Stand mit Aron bereute.

„Wie geht es dir denn mit Chris?“, fragte ich leise, während Sanchez sich von der Blondine losriss und schwungvoll zu uns herüberkam.

„Ich bin mir nicht sicher“, murmelte Flo, als mein Hochzeitsplaner mit einem strahlenden Lächeln vor uns stehenblieb.

„Ausgezeichnet“, sagte er frohlockend. „Wie ich sehe, haben Ihnen die Kreationen gemundet. Haben Sie denn schon einen Favoriten?“

„Leider nicht nur einen“, seufzte ich, während Flo neben mir schmunzelte. Bei Sanchez‘ hochgezogener Augenbraue gab ich mir einen Ruck. „Ich denke, die Nusstorte können wir ausschließen.“

„Bleiben ja nur neun weitere“, erwiderte der Hochzeitsplaner lakonisch. Und in diesem Moment war er es, der mir irgendwie leidtat.

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