Esther – 56

Esther – 56

„Du nennst mich einen Volltrottel?“, fragte Hank verwirrt und Flo nickte. „Das tue ich. Wobei vielleicht auch ich die Idiotin bin, dass ich es nicht eher gemerkt habe.“

„So kannst du doch nicht mit mir reden“, fuhr Hank sie aufgebracht an.

„Und ob ich so mit dir reden kann“, entgegnete Flo unbeeindruckt. „Siehst du? Ich rede so mit dir.“ Sie machte eine kurze Pause. „Und du solltest jetzt gehen, bevor es noch peinlicher für dich wird.“

Ich starrte auf die Szene wie auf einen Verkehrsunfall, aber ich war nicht die Einzige. Hanks lautes Organ hatte dazu geführt, dass einige Gespräche an den Nachbartischen verstummt waren.

„Das muss ich mir nicht geben“, sagte Hank und stand abrupt auf. Dann stürzte er seinen grünen Smoothie hinunter, warf Flo einen letzten todesverachtenden Blick zu und stapfte aus dem Lokal.

Kaum war er weg, brachte der Kellner unser Essen. Es waren zwei riesige Platten mit Brötchen, Aufstrichen, frisch geschnittenem Obst, süßem Gebäck, Joghurt, Tee und Orangensaft.

„Stellen Sie es einfach hin“, sagte Flo, weil er kurz irritiert wirkte, dass nun auch der zweite Mann unseren Tisch verlassen hatte. „Wir schaffen das schon.“

Da war ich mir nicht so sicher, aber ich widersprach nicht, als der Kellner all die Köstlichkeiten vor uns abstellte.

„Hank ist jetzt also Geschichte“, stellte ich fest, als er gegangen war und Flo gerade herzhaft in ein Buttercroissant biss.

Sie kaute, schluckte runter und seufzte. „Ja, leider“, erwiderte sie. „Dabei war er echt eine Granate im Bett.“

Ich verzog das Gesicht. „Bitte keine Details.“

Flo warf den Kopf in den Nacken. „Seine Zunge, Esther! Ich weiß, er hat nur Scheiße damit gelabert, aber du hättest mal fühlen sollen, was für Bewegungen er draufhatte …“

Ich legte ihr rasch die Hand auf den Arm. „Bitte nicht“, flehte ich inständig. „Erzähl mir das bitte nicht.“

Sie lachte und beugte sich über den Tisch, um sich ein paar Weintrauben zu schnappen.

„Danke“, sagte ich dann aufrichtig.

„Dafür, dass ich dir die Einzelheiten seiner akrobatischen Zunge erspare?“

„Dafür, dass du ihn abgeschossen hast.“

Sie zuckte mit den Achseln. „Er war eben ein Idiot. Leider scheinen mir andauernd solche Typen über den Weg zu laufen.

„Ist diese … Natascha … ist sie wirklich ein Unterwäschemodel?“, fragte ich leise, während ich ein paar Käsestückchen aufspießte.

Flo sah mich streng an. „Nein, Esther, das tust du nicht.“

„Ich mach doch gar nichts.“

„Doch, du vergleichst dich mit ihr“, erwiderte sie verärgert. „Und du hast absolut keinen Grund dazu. Ist dir schon mal aufgefallen, wie Eric dich ansieht? Ich schwöre, ich würde dafür töten, dass mir ein Mann wie er solche Blicke zuwirft.“

Ich spürte die Hitze in meine Wangen kriechen und wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.

„Abgesehen davon hast du ein viel hübscheres Gesicht als diese blöde Russin. Zumindest siehst du nicht immer so aus, als ob du gerade in eine Zitrone gebissen hättest.“

Ich musste bei ihrem Vergleich lachen. Dann griff ich spontan nach ihrer Hand. „Danke, Flo.“

„Wofür genau?“, fragte sie schmunzelnd.

„Dafür, dass du meinetwegen auf Hanks Zunge verzichtest.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Dafür sind Freundinnen doch da. Und wer weiß … vielleicht sind die Kumpels aus seinem Eishockey-Team ja genauso talentiert.“

Ich grinste. „Ich schätze, um das herauszufinden, musst du dich zu Studienzwecken mit einem oder zwei von ihnen verabreden.“

Flo seufzte tief, doch diesmal klang es kein bisschen schwermütig. „Ja, ich schätze das muss ich wohl“, stimmte sie mir lächelnd zu.

One thought on “Esther – 56

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top