Esther – 63

Esther – 63

Ich starrte meinen Dozenten an, der mich auf eine Art fixierte, dass ich einfach nur aufstehen und auf schnellstmöglichem Weg hier verschwinden wollte. Mein Herz schlug viel zu schnell in meiner Brust und machte einen Satz, als er sich plötzlich von der Schreibtischkante abstieß und zu seiner Bürotür ging, die er mit einer lässigen Bewegung absperrte.

„Was soll das?“, sagte ich und stand auf. Dabei blickte ich ihm direkt in die Augen, während in mir ein Kampf tobte. Mein Körper schrie: Lauf!, während mein Verstand mich dazu anhielt, jetzt nicht hysterisch zu werden.

„Ich möchte mich nur ungestört mit dir unterhalten können“, entgegnete er und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Tür.

Zitternd holte ich Luft. Er war einen Kopf größer und mindestens zwanzig Kilo schwerer als ich – weshalb ich mir ausrechnen konnte, dass ich ihm körperlich nicht gewachsen war. Noch während ich das dachte, versuchte ich mich innerlich zu beruhigen. Er war mein Dozent und er arbeitete hier. Auch wenn sein bisheriges Verhalten mehr als fragwürdig gewesen war, würde er mich sicher nicht ernsthaft aufhalten, wenn ich versuchte, das Zimmer zu verlassen.

„Ich fürchte, ich habe einen Termin bei der Dekanin vergessen“, sagte ich so ruhig wie möglich und tastete in meiner Tasche nach meinem Handy. Dabei betrachtete er mich noch immer auf diese unangenehme, intensive Art, die den Fluchtinstinkt in mir auslöste.

„Blödsinn“, erwiderte er leise und seine Stimme hatte wieder diesen heiseren Klang wie zuvor, der mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

„Lassen Sie mich raus“, sagte ich fest und versuchte weiterhin mein Handy in den Tiefen meiner Tasche zu finden.

„Aber natürlich“, sagte er und schaffte es, überrascht zu klingen. „Du kannst jederzeit gehen. Ich halte dich nicht auf.“ Dabei bewegte er sich keinen Millimeter von der Stelle.

Ich zögerte noch einen Augenblick, dann machte ich einen Schritt auf ihn zu. Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht und ich sah an dem Funkeln in seinen Augen, dass ihm die Situation eine perverse Freude bereitete. Währenddessen tastete ich noch immer nach meinem Handy und mein Herz hämmerte wie wild, als sich meine Finger endlich darum schlossen. Rasch zog ich es hervor und keuchte auf, als er mit einem Schritt bei mir war und mir das Telefon entwand.

„Na, na, das ist aber unhöflich, während unseres Meetings zu telefonieren“, flüsterte er in mein Ohr und ich fühlte seinen heißen Atem über meinen Hals streifen. Angewidert wich ich zurück und sah, wie er mein Handy mit einer betont langsamen Bewegung in seine Hosentasche steckte. „Ich hebe es besser für dich auf, bis wir fertig sind.“

Mit trommelndem Herzen starrte ich ihn an. „Geben Sie es mir“, verlangte ich und versuchte, das Zittern aus meiner Stimme zu verbannen.

„Hol es dir doch“, entgegnete er.

Ich sah von seinem Gesicht zu seinen Jeans und schluckte.

Vergiss das Handy, flüsterte mir eine Stimme zu und ich wandte mich zur Tür. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine schnelle Bewegung wahr und als meine Finger die Klinke berührten, war er plötzlich hinter mir und drückte seine Hüften gegen meinen Rücken, bis ich seine Erektion fühlen konnte.

„Moment, ich helfe dir“, stieß er hervor und legte seine Finger über meine Hand, mit der ich den Schlüssel umklammerte. „Er klemmt manchmal ein bisschen“, raunte er mir ins Ohr und ich fühlte, wie er mich mit seiner linken Hand noch näher an sich zog, während seine Rechte verhinderte, dass ich den Schlüssel herumdrehte.

„Lassen Sie mich sofort los!“, japste ich und wünschte, ich hätte genug Stimme gehabt, um richtig laut zu schreien.

Er antwortete nicht. Das Einzige, was ich hörte, war sein leises Lachen und dann schaffte ich es endlich, den Schlüssel im Schloss zu drehen und die Tür aufzureißen.

Augenblicklich ließ er mich los und ich stürzte hinaus auf den menschenleeren Korridor. Mein Herz drohte aus meiner Brust zu springen und ich wollte einfach nur weg.

„Hey!“, rief er mir nach. „Du hast dein Handy vergessen.“ Seine Stimme hatte einen leicht amüsierten Klang, als hätten wir gerade ein nettes Gespräch geführt, und ich warf einen schnellen Blick über die Schulter. Er lehnte völlig entspannt im Türrahmen und hielt mein Smartphone in die Höhe.

In dem Moment bogen zwei Studenten um die Ecke, die sich angeregt miteinander unterhielten. Ich zögerte einen Moment, dann kehrte ich um und schnappte mir blitzschnell mein Telefon.

„Du hast ein sehr interessantes Thema gewählt, Esther“, sagte Mr. Norris laut, als die beiden jungen Männer gerade an uns vorbeigingen. Seine grünen Augen funkelten. „Wenn du das Gespräch darüber vertiefen willst – meine Bürotür steht dir immer offen.“

11 thoughts on “Esther – 63

  1. Puh war das schlimm für Esther. Sehr beklemmend beschrieben. Ich bin froh, dass ich nie in so eine Situation gekommen bin. Freue mich schon auf Erics Reaktion – er muss das erfahren!

  2. Oh Gott, was für ein mieser Arsch. Sorry, dass ich das jetzt so deutlich ausspreche, aber etwas anderes fällt mir dazu wirklich nicht ein.

  3. Was ist das für eine Arschgeige!? Da macht der sich im Ernst an Esther ran, der soll mal schön seine Grabscher bei sich behalten. Ich hoffe Eric lässt an ihm all seine Wut raus, die er bei Simon zurück gehalten hat! Aber ich denke das Esther Angst vor Erics Reaktion hat und es ihm nicht sofort sagt… 🙁
    Freue mich auf den nächsten Teil 😉

  4. Wiederlich solche Typen!
    Leider werden die wohl nie aussterben, hoffentlich erzählt Esther, Eric und Flo davon, die werden bestimmt die richtige Antwort für Herrn Norris haben.

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