Eric – 57

Eric – 57

Kaum hatte ich den Anruf meiner Mutter weggedrückt, bimmelte das scheiß Handy erneut. Mit einem Fluch schaltete ich es auf lautlos und hielt es in meiner Hand, während ich auf das Display starrte, auf dem schon wieder ihr Name zu sehen war.

Wieso rief sie mich an? Wieso ließ sie mich nicht einfach in Ruhe? Ich verfluchte Chris dafür, dass er ihr meine Nummer gegeben hatte, ich verfluchte sie dafür, dass sie sich einfach nicht aus meinem Leben raushielt, ich verfluchte mich selbst dafür, dass ein winziger Teil in mir sie fragen wollte, wieso sie damals verdammt nochmal gegangen war.

Die Vibration verstummte und das Display wurde schwarz. Ich atmete tief aus und merkte, dass ich mitten auf der Straße stehengeblieben war. Meine Füße setzten sich wieder in Bewegung und meine Gedanken taten dasselbe. Sie drifteten ab, in eine beschissene Zeit, in die ich nie wieder zurückwollte. Dabei krampfte sich meine Hand so fest um das Gehäuse des Telefons, dass es unter meinen Fingern leise knackte.

Die eingehende Nachricht einer Mitteilung ließ mich erneut stehenbleiben. Sie hatte mir eine verfluchte Sprachnachricht hinterlassen. Mein Daumen schwebte über dem Abspielsymbol und ich zögerte einen winzigen Moment, bevor ich die Nachricht löschte. Was auch immer sie mir sagen wollte, es kam mehr als fünfzehn Jahre zu spät.

 

Im Hotel stellte ich mich unter die Dusche und drehte den Strahl so heiß auf, dass es wehtat. Ich hoffte, dass der Schmerz mich von der Scheiße in meinem Inneren ablenken würde, wollte Außen gegen Innen tauschen, aber das funktionierte nicht. Die verdammte innere Kälte ließ sich nicht damit bekämpfen, indem ich mir die Haut verbrühte. Ich schlug mit der flachen Hand auf die dunkelgrauen Fliesen und versuchte, an etwas anderes als meine verkackte Kindheit zu denken. Versuchte, mir einen runterzuholen oder einen neuen Song zu komponieren, oder wenigstens gar nichts zu denken, aber das Einzige, woran ich denken konnte, war die Flasche Scotch in der Bar, und dass sie mir helfen würde, wenn ich sie jetzt einfach leermachte.

Ich stieg aus der Dusche. Das heiße Wasser hatte alle Spiegel beschlagen lassen und ich griff langsam nach einem Handtuch. Auf dem Boden bildeten sich mehrere Pfützen, während ich tropfend dastand und plötzlich keinen Bock mehr auf diese Scheiße hatte. Ich hatte keine Lust mehr, mich jedes Mal zuzuknallen, wenn irgendein Teil meiner Vergangenheit wieder angespült kam, wie so ein verdrecktes Stück Plastikmüll aus dem Meer.

Und dann sah ich ihr Gesicht vor mir und es fühlte sich an, als wäre sie die Lösung für … verdammt noch mal alles, und als nächstes schlüpfte ich in eine Jeans und ein T-Shirt, griff nach dem Autoschlüssel und knallte die Tür der Suite hinter mir zu.

 

Der Coffeeshop war schon halb leer, als ich ankam. Ich parkte den schwarzen Wagen am Straßenrand auf der gegenüberliegenden Seite und blickte durch die großen Scheiben in das Café. Esther trug diese lächerliche grüne Schürze, die trotz allem unfassbar hübsch an ihr aussah, stand am Tresen und lächelte einen Mann an. Er war schlank, mit schwarzen Locken, und an seiner Körpersprache konnte ich genau sehen, dass er sie anmachte. Ein Gefühl loderte in mir auf, heiß und unmittelbar, und ich hatte Lust, aus dem Wagen zu steigen und das Arschloch von ihr wegzuzerren. Ich war schon halb aus der Karre draußen, als mir bewusst wurde, was ich da tat. Ich war nicht mehr als ein verdammter eifersüchtiger Schwachkopf, der auf dem besten Weg war, sich zum absoluten Trottel zu machen. Esther gab dem Orlando Bloom-Verschnitt jetzt das Wechselgeld, lächelte noch einmal und wandte sich dann der nächsten Kundin zu. Der Typ sah sie noch einen Moment lang an, drehte sich dann um und verschwand aus dem Café. Ich blickte ihm nach, wie er mit federnden Schritten die Straße runterging und versuchte, einfach nur sitzenzubleiben.

Das war absurd. Ich war kein eifersüchtiger Typ.

Angepisst stieg ich aus dem Wagen. Mir gefiel nicht, was hier passierte, absolut nicht, und ich ging mit langen Schritten über die Straße. Dabei versuchte ich zu verstehen, wie es in der kurzen Zeit dazu hatte kommen können, dass ich jedem Typen die Eier abreißen wollte, der sie nur einen Tick zu lange ansah.

Mit mehr Schwung als nötig drückte ich die Tür zum Café auf und blickte direkt in die Augen des nächsten Arschlochs.

5 thoughts on “Eric – 57

  1. ?man macht ihr es spannend! Wer ist denn jetzt der andere Typ?!
    Kann den Dienstag kaum erwarten?

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!

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