Esther – 99

Esther – 99

„Und das ist Cara“, stellte Simon uns eine schlanke Frau mit langen blonden Haaren vor, nachdem er uns durch die weiße Tür in einen Raum mit einer Unmenge an Kleidern geführt hatte.

„Oh mein Gott! Cara Blackwater!“, quietschte Flo und hüpfte in ihrem Bademantel auf und ab, während ich mich noch überwältigt umsah. Rechts und links von uns reihten sich freistehende Kleiderständer mit den tollsten Outfits aneinander und gaben mir das Gefühl, mich direkt im Backstage-Bereich einer Modenschau zu befinden. Helle Spots an der Decke tauchten die Umgebung in ein gleißendes Licht und am Ende des Raumes befand sich eine verspiegelte Wand neben einem offenen Schrank mit Dutzenden teuer aussehender Highheels.

Cara Blackwater, eine der derzeit angesagtesten Modedesignerinnen schlechthin, schenkte Flo und mir ein gönnerhaftes Lächeln, bevor sie sich Simon zuwandte und ihn mit einem Wangenkuss begrüßte. Bei der Bewegung wurde ich von einer Wolke ihres Parfüms eingehüllt und drehte rasch den Kopf zur Seite, da mein angeschlagener Magen bei der schweren Duftnote zu rebellieren begann.

„Cara hat sich bereit erklärt, euch für die Show heute Abend ein Kleid aus ihrer neuen Kollektion tragen zu lassen“, sprach Simon weiter und Flo flippte neben mir völlig aus.

„Ist das wahr? Oh mein Gott, oh mein Gott!“, schrie sie begeistert und obwohl Cara mit den dunkel geschminkten Augen in ihrem cleanen schwarzen Einteiler ziemlich streng wirkte, wurde ihr Lächeln nun doch eine Spur wärmer.

„Simon sagte, Sie würden heute Abend neben Eric Adams über den roten Teppich gehen“, erklärte sie mit rauchiger Stimme und ließ ihre Katzenaugen einmal von oben bis unten über meinen Körper wandern. „Und als große Bewunderin seiner Musik ist es mir eine Ehre, Sie beide einzukleiden.“

Flo biss sich auf die Lippen, um nicht ein weiteres Mal vor Begeisterung zu quietschen, doch an ihrem strahlenden Gesicht konnte ich sehen, dass soeben ein Traum von ihr in Erfüllung gegangen war.

„Gut, Ladys, dann lasse ich euch nun allein und freue mich schon auf das Endergebnis“, sagte Simon und zwinkerte Flo und mir zu, bevor er Cara mit einem Lächeln verabschiedete und sich zurückzog.

„Dann lasst uns beginnen“, bemerkte Cara, nachdem er gegangen war. „Wir haben nicht viel Zeit und ich möchte, dass jeder Modeblogger dieser Stadt bei eurem Anblick der Sabber aus dem Mund läuft.“

Eine Stunde später stand ich vor dem großen Spiegel des Ankleideraumes und hatte das Gefühl, einer Fremden ins Gesicht zu blicken. Cara Blackwater war nicht gerade eine Sympathieträgerin, aber sie verstand eindeutig etwas von ihrem Geschäft. Mit nur wenigen Handgriffen hatte sie drei Kleider für mich von der Stange genommen und fachmännisch vor meinen Körper gehalten, bevor sie sich für eine gewagte goldene Kreation entschieden hatte, von der ich niemals gedacht hätte, dass ich so etwas tragen konnte.

Der schimmernde Stoff war halb transparent und schmiegte sich asymmetrisch von meiner Schulter über meinen Oberkörper, bis er in einen langen fließenden Rock mit hohem Beinschlitz überging. Winzige funkelnde Kristalle waren in den Stoff eingewebt worden, sodass er bei jeder Bewegung wie flüssiges Gold schimmerte. Staunend drehte ich mich vor dem Spiegel herum. Das Kleid war rückenfrei und ging in eine edle Schleppe über, wie ich sie bisher nur bei den Stars auf dem Red Carpet gesehen hatte. Caras Assistentin verpasste mir das dazugehörige Styling, das ich alleine niemals hinbekommen hätte. Meine blonden Haare wurden von einer aufwändigen Flechtfrisur aus meinem Gesicht gehalten und mein goldenes Make-up glitzerte wunderschön und hatte etwas Elfenhaftes an sich.

Ich sah aus, als käme ich nicht von dieser Welt.

„Wow“, hörte ich Simons Stimme in diesem Moment hinter mir. „Ladys, ihr seht einfach umwerfend aus. Absolut unglaublich.“

„Ja, nicht wahr?“, rief Flo glückselig, die in einem Traum aus rotem Chiffon so großartig aussah, dass Simon kaum die Augen von ihr nehmen konnte.

„Wie viele Menschen werden zu dieser Preisverleihung kommen?“, hakte ich nach und hoffte, dass ich mit den mörderisch hohen Absätzen keinen Sturz auf dem roten Teppich hinlegen würde, wie Jennifer Lawrence bei ihrer Oscar-Verleihung.

„Keine Ahnung“, murmelte Simon abgelenkt, während er Flo noch immer mit seinen Blicken verschlang, „aber da die Best Global Music Awards im Fernsehen übertragen werden, sehen euch auf alle Fälle ein paar Millionen.“

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